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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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aufschneiden könnte. Du bist ja nur Haut und Knochen.« Ich zuckte instinktiv vor ihm zurück, doch er kümmerte sich ebenso wenig darum wie eine Eiche sich um einen Singvogel kümmert, der sich auf einem ihrer Äste niederlässt. »Warum bist du zur Tempelfestung gegangen? Sag mir die Wahrheit.«
    Ich versuchte erneut mein Handgelenk freizubekommen. »Ma hat mir das Versprechen abgenommen, dorthin zu gehen. Sie ließ es mich vor ihrem Tod schwören. Ich sollte die Feuergöttin finden. Doch falls sie jemals dort war, ist sie jetzt jedenfalls verschwunden und die heilige Stätte wimmelt von Räubern und Sklaven und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht –«
    »Schon gut«, unterbrach er mich sanft. »Es ist gut. Ich verstehe.«
    »Nein, tust du nicht!«, tobte ich und von irgendwoher kam wieder Kraft in mich und ich fing an zu kämpfen, um mich zu schlagen und zu treten. »Ich weiß nicht, was ich tun soll!«
    Er ließ mich strampeln. Doch ebenso schnell, wie die Wut aufgeflammt war, erlosch sie wieder. Ich fühlte die brennende Hitze der Tränen, die meine Wangen hinunterrannen, und drehte den Kopf weg, während ich mit der freien Hand mein Gesicht verdeckte. Sein Griff um mein Handgelenk lockerte sich, doch er ließ mich nicht los und er sagte kein Wort.
    »Ich bin keine Mörderin«, murmelte ich nach einigen Minuten. »Es ist mir egal, wenn du mir nicht glaubst. Knüpf mich auf, wenn du willst.«
    »Du übertreibst gern, oder? Heilige Urmutter, wer hat je davon gesprochen, dich aufzuknüpfen?«
    »Dein Leutnant«, sagte ich. »Und zwar sofort und ohne Vorwarnung.«
    Er stöhnte, ließ endlich mein Handgelenk los und rutschte ein Stück weg. An der Seite, wo er sich gegen mich gedrückt hatte, spürte ich nun die kalte Luft.
    »Da wird mir schon wesentlich klarer, warum du dir einen Fluchtweg aus der Zelle gegraben hast und mitten in der Nacht geflohen bist. Es tut mir leid, dass er dich bedroht hat – aber ich verspreche dir, mehr als eine Drohung war es auch nicht. Arian würde einem Gefangenen niemals etwas antun, vor allem keinem unbewaffneten Mädchen.«
    Ich drückte mein Gesicht in die Beuge meines Ellbogens, um die Tränen abzuwischen und meinen ungläubigen Gesichtsausdruck zu verbergen. Dieser Ziegenhirte hatte jedes seiner Worte ernst gemeint. Es war keine Drohung gewesen, sondern ein Schwur.
    »Wie ich sehe, glaubst du mir nicht«, sagte Luca trocken. »Aber du wirst es mir einfach abnehmen müssen.«
    Das muss ich ganz sicher nicht.
    Ich stand auf – und kippte um, als eine Woge der Benommenheit mir die Füße wegzog.
    Luca erwischte mich gerade noch, bevor ich auf dem Boden aufschlug. Er half mir sanft, mich wieder zu setzen, doch dieses Mal hielt er mich hinten am Hemd fest.
    »Bei solchen großspurigen Auftritten, die das Essen betreffen, gibt es ein Problem«, sagte er ruhig. »Irgendwann ist man einfach zu hungrig, um noch davonzulaufen.«

Sechs
    Das Feuer knisterte fröhlich und flackerte mit lebhaften blauen und gelben und purpurfarbenen Lichtern. Ich hatte geglaubt, nur Treibholz würde mit solchen Flammenschattierungen brennen. Vielleicht war irgendetwas an dem Holz hier besonders. Oder an der Erde. Die pulsierenden Farben waren seltsam fesselnd. Ich hatte das Gefühl, hineingezogen zu werden …
    Mit einem erschrockenen Luftschnappen wandte ich den Blick ab. Ich zog die Knie an die Brust und rutschte rückwärts gegen einen der großen Felsbrocken, die rings um die Lichtung lagen, auf die mich Luca gezerrt hatte.
    Er saß im Schneidersitz am Feuer und summte vor sich hin, während er den Inhalt eines kleinen Blechtopfs umrührte. Er hatte ihn mit Wasser aus dem Bach neben den heruntergestürzten Felsbrocken gefüllt und anschließend irgendein fein gemahlenes Getreide eingerührt. Dann fügte er Trockenerbsen und Fleisch hinzu, sowie etwas, das ich für getrocknete Aprikosen hielt, außerdem prisenweise buntes Pulver aus kleinen Papiertütchen. Es roch köstlich – warm und würzig. Bestimmt hörte er mein Magenknurren. Zum Teufel mit ihm.
    Die Nacht brach herein und färbte die Himmelsflecken zwischen den Bäumen in einem dumpfen Schiefergrau. Der Feuerschein vergoldete Lucas Gesicht und ließ in seinen Augen diese seltsamen, verschwommenen Goldsprenkel leuchten. Sein langer Zopf fiel ihm über die Schulter und er warf ihn zurück – es war eine anmutige, selbstverständliche Geste, die mir mein eigenes schmutziges Haar und meinen

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