Frostblüte (German Edition)
Äste der Bäume konnte ich die entfernten Lichter der Sterne erkennen. Ich zitterte.
»Und du bist hier, um sie gefangen zu nehmen.«
»Ja. Nachdem die Reia zwei Jahre lang regelmäßig normale Soldatentrupps hier hochgeschickt hat, die nichts auszurichten vermochten, schuf sie die Berggarde – eine hier stationierte Truppe gut bewaffneter, gut trainierter Soldaten, die sich in den Bergen zu Hause fühlt, die die Pässe sicher macht für den Handel und die Menschen in der Gegend schützt. Und die irgendwann die Anführer der Aufständischen aufspüren und gefangen nehmen wird.«
»Ihr habt sie gefunden. Sie sind in diesem Tempel.« Ich erinnerte mich an die begüterten, wohlgenährten Gesichter der Sedrier und die blau geschlagenen, verzweifelten der entführten Rua. »Warum habt ihr nichts unternommen?«
»Weil wir ihren Stützpunkt erst vor kurzem entdeckt haben. Wir sind nicht einmal auf die Idee gekommen, in diesen Ruinen zu suchen. Ehrlich gesagt haben wir während des ersten Jahres in diesen Bergen so hart um unser Leben gekämpft, dass wir kaum Zeit hatten, irgendwo zu suchen. Ständig griffen uns Räuberbanden an, und was an Kraft und Mitteln übrig blieb, verwandten wir darauf, die Menschen in der Gegend vor Tod und Entführung zu bewahren. Es war viel Arbeit, bis wir uns hier eingerichtet hatten. Vor nicht allzu langer Zeit hättest du diese Berge nicht überqueren können, ohne sofort angegriffen zu werden. Einige sehr tapfere Männer und Frauen haben im letzten Jahr dafür ihr Leben gelassen.«
»Aber ihr wisst doch jetzt, wo sie sind! Warum lasst ihr sie nach wie vor dort leben? Sie haben an Händen und Füßen gefesselte Gefangene dorthin verschleppt. Sie haben ihnen Schmerzen zugefügt. Ihr müsst den Gefangenen helfen!«
Luca lächelte. Zwischen seinen Augenbrauen war noch immer eine angespannte Falte, doch als er weitersprach, klang seine Stimme verändert. »Ich weiß, dass wir ihnen helfen müssen. Wir haben im Moment nur nicht genug Leute, um die Festung der Aufständischen einzunehmen. Ich habe der Reia und dem König eine Nachricht mit der Bitte um Verstärkung gesandt, und sobald sie eintrifft, stürmen wir den Tempel und nehmen ihn den Aufständischen wieder weg. Versprochen.«
Mir wurde bewusst, dass er mich beruhigen wollte. Ich rutschte unbehaglich hin und her, als ich wieder das seltsame Ziehen in der Brust spürte. Ich suchte nach etwas, womit ich mich ablenken konnte. Etwas, das ihn davon abbringen würde, mich so anzusehen, als hätte ich genau das Richtige gesagt und als wäre er stolz auf mich. Es war eine Täuschung. Ein Trick des Feuerscheins oder meiner Einbildung. Ich durfte nicht daran glauben.
»Warum sind die Aufständischen überhaupt dort? Ich dachte, es wäre eine heilige Stätte. Haben sie keine Angst, einen Fluch auf sich zu laden?«
Luca zuckte mit den Achseln. »Es war eine heilige Stätte, aber sie wurde schon vor Jahren zerstört. Seitdem ist sie verlassen. Es gab Überlegungen, sie wieder aufzubauen, doch die Reia konnte nie das Geld dafür auftreiben. Ich vermute, die Aufständischen gingen dorthin, weil die Ruinen ihnen mehr Schutz boten als die kahlen Berge.« Er zögerte, dann sprach er weiter. »Es rankt sich eine Legende um die Tempelfestung. Irgendwo im Gebäude soll es ein geheimes Zimmer geben. Eine Kammer, in der die Heilige Flamme brennt, eine Art … Zugang zur Urmutter. Die Legende besagt, dass diejenigen, die den Mut aufbringen, ins Feuer zu gehen, von Angesicht zu Angesicht mit Ihr reden könnten. Wenn sie das Wohlgefallen der Urmutter erregen, gewährt Sie ihnen vielleicht Ihre Gunst: heilt sie oder segnet sie. Es wird erzählt, dass Reia Zahira im Feuer, das den Rest ihrer Familie tötete, schreckliche Verbrennungen erlitt. Einer ihrer Diener brachte sie in den Tempel und legte sie in die Heilige Flamme. Und dort wurde sie nicht nur geheilt, sondern bekam auch den Segen der Mutter. Man erzählt, dass sie König Abheron aus diesem Grund besiegte, obwohl alle ihren Versuch für verrückt erklärt hatten. Möglicherweise gingen die Aufständischen zur Tempelfestung, weil sie hofften, sich einen besonderen Vorteil zu verschaffen, wenn sie die Flamme aufspüren könnten. Wahrscheinlich hätte sie sie wohl eher in den Wahnsinn getrieben oder zu Asche verbrannt. Aber so sind die Abtrünnigen. Sie besitzen die Arroganz, sich einzubilden, sie könnten sich nach Belieben alles nehmen.«
Seine letzten Sätze hörte ich kaum. Eine Heilige Flamme.
Ich
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