Frostblüte (German Edition)
Platz hat mir doch besser gefallen. Kannst du ihn bitte wieder zurückstellen?«
Ich unterdrückte ein Stöhnen, als ich den Tisch zum dritten Mal verschob. Selbst leicht gebaute Reisemöbel werden irgendwann schwer, wenn man sie den ganzen Nachmittag hin und her rückt.
Als vor dem Zelt der Heilerin plötzlich ein schriller Pfiff ertönte, zuckte ich so zusammen, dass mir fast der Tisch auf die Füße gefallen wäre.
»Das ist das Signal, dass Luca und sein Spähtrupp wohlbehalten zurückgekehrt sind«, erklärte Livia durch eine Dampfwolke hindurch. Sie schrubbte die Schalen, die sie zum Zerreiben der Kräuter brauchte, in einem Eimer mit brühend heißem Wasser. »Du wirst diesen Pfiff bald schon lieben.«
Wohlbehalten.
Irgendetwas zog heftig in meiner Brust.
Es entstand eine Pause. Dann fragte Livia: »Und?«
Ich warf ihr einen Blick zu und sah, dass sie grinste.
»Was?«
»Willst du ihn nicht begrüßen?«
»Er ist doch gerade erst angekommen«, erwiderte ich und hoffte, dass meine Stimme ruhig klang. »Er wird sich bestimmt nicht gleich mit mir befassen wollen. Ich bin doch bloß eine neue Rekrutin.«
Als Livia antwortete, war ihre Stimme schroff: »Heilige Urmutter, Mädchen. Du brauchst ihm ja keine Rosenblüten vor die Füße zu streuen oder ein schmalziges Lied zu singen. Geh einfach hin und begrüß ihn. Es wird ihm gefallen.«
»Und du … du glaubst, es stört ihn nicht?«
»Ich glaube, du solltest aufhören dir den Kopf zu zerbrechen, was andere Leute denken, und einfach tun, was du willst. Du könntest eine Überraschung erleben.«
Ihre Worte ließen mich wie eine willensschwache Närrin wirken. Ich biss die Zähne zusammen, schlug die Zeltplane zurück und stapfte hinaus.
Mir war nicht bewusst gewesen, wie lange ich Livia geholfen hatte. Es dämmerte schon und die Fackeln im Lager brannten. Der Himmel war dunkelblau, über den Bäumen hingen Sturmwolken. Die kalte Luft und die Dunkelheit wirkten wie ein Schlag ins Gesicht. Ich blieb abrupt stehen. Livia hatte es zwar geschafft, mich mit ihren Worten in Bewegung zu setzen, trotzdem waren meine Ängste berechtigt. Aus welchem Grund sollte Luca sich mit mir befassen wollen? Ich durfte mich von unserem Gespräch am Rande des Gehöfts nicht beeinflussen lassen. Denn das, so hätte meine Mutter gesagt, konnte nur in einer Enttäuschung enden. Luca vermittelte wahrscheinlich jedem ein solches Gefühl.
Er war nicht wie ich. Er war schön und stark und … und gut. Dieses Gute in ihm strahlte wie das goldene Leuchten in seinen Augen. Jemanden wie Luca würde man überall schätzen und achten. Es war bestimmt nicht seine Absicht, mich aus der Fassung zu bringen oder in die Irre zu führen, doch er konnte unmöglich ahnen, wie viel seine Worte, seine beiläufigen Taten für mich bedeuteten. Ich war nicht das erste Überbleibsel, das er aufgelesen hatte. Und ich würde auch nicht das letzte sein.
Tja, in diesem Fall, argumentierte eine zaghafte Stimme in mir, wird es auch keinen Schaden anrichten, wenn du kurz einen Blick auf ihn wirfst. Nur um sicherzugehen, dass er tatsächlich wohlbehalten ist. Wenn er beschäftigt wirkt, kannst du dich immer noch davonschleichen. Er wird dich nicht mal bemerken.
Unfähig, dieser verlockenden Logik zu widerstehen, folgte ich dem Geräusch der Stimmen. In der Nähe des Versammlungsplatzes, wo die mit weißen Steinen eingefasste Feuerstelle und die glatten Baumstämme im flackernden Licht der Fackeln leuchteten, hatte sich eine Menge gebildet. Ich konnte Luca zwischen all den Menschen kaum sehen. Nur der Scheitel seines blonden Kopfes, den er gesenkt hielt, um ihnen zuzuhören, war zu erkennen. Alle redeten gleichzeitig, drängten sich um ihn und bestürmten ihn mit Fragen. Sie erinnerten mich an einen Wurf Ferkel, die um den besten Platz am Bauch ihrer Mutter kämpften. Selbst Atiyah entdeckte ich dort, sie schwenkte einige Bögen Papier – wahrscheinlich wollte sie ihn wegen meiner Rüstung fragen.
Sprich mit Luca darüber, hatte Livia jedes Mal gesagt, wenn sie eine Frage nicht beantworten konnte. Scheinbar verfuhren alle so. Es grenzte an ein Wunder, dass er je einen Moment Ruhe fand.
Lucas Kopf tauchte auf. Mit gerunzelter Stirn blickte er über die wartende Menge, als suche er jemanden. Wen er wohl sehen wollte? Wahrscheinlich Arian. Dann bemerkte er mich ein Stück hinter den anderen. Die Falten auf seinem Gesicht glätteten sich. Er lächelte.
Das schmerzhafte Ziehen in meiner Brust löste sich und
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