Frostblüte (German Edition)
unbewaffneten Frauen Gewalt anzutun? Da wird deine Mutter aber stolz auf dich sein!«
Er zuckte sichtlich zusammen und wurde vor meinen Augen aschgrau. Ich erstarrte, meine fiebrige Wut kühlte beim Anblick der eisigen Verzweiflung auf seinem Gesicht ab. Bevor ich versuchen konnte mich zu entschuldigen oder zu fragen, was los war, hatte er schon auf dem Absatz kehrtgemacht und stapfte durch die Bäume davon. In Sekundenschnelle war er verschwunden.
»Was habe ich gesagt?«, flüsterte ich.
Aber ich war nicht sicher, ob ich das wirklich wissen wollte.
Elf
Blitzsauber geschrubbt, mit feuchtem Haar und in Livias etwas zu engen Kleidern, deren Nähte mir in die Schultern schnitten, schlich ich zum Lager zurück. Ich hatte das Gefühl, an diesem Morgen zweimal auf die Probe gestellt worden zu sein und beide Male versagt zu haben. Zuerst, als ich vor den Frauen davongelaufen war, statt ihnen die Stirn zu bieten, und dann bei dem Streit mit Arian, als ich besser gegangen wäre.
Fast erwartete ich, von gezückten Schwertern empfangen zu werden, als ich aus dem Wald zurückkam, doch niemand beachtete mich. Damit das so blieb, hastete ich mit gesenktem Blick und gebeugten Schultern um das Lager herum.
»Oje«, sagte Livia, als ich in Lucas Zelt ankam. »Du siehst ja aus wie ein geprügelter Hund. Was ist denn passiert?«
»Ich hatte eine Auseinandersetzung mit dem Zie…, ähm, mit Arian.«
Sie lachte und schnitt eine Grimasse. »Mach dir deshalb keine Sorgen. Du wirst bald feststellen, dass Luca der einzige Mensch in der Berggarde ist, der mit Arian auskommt. Für uns andere ist es, als versuchten wir zu einem Stein freundlich zu sein. Ich bin nicht sicher, ob er noch andere Gefühle kennt als den Drang, alles, was ihm in die Quere kommt, kurz und klein zu schlagen.«
Ich dachte an den entsetzten Blick, mit dem mich Arian gerade angesehen hatte. Der Mann hatte ganz eindeutig Gefühle. Doch das heißt noch lange nicht, dass es sicher ist, Mitleid für ihn zu empfinden, ermahnte ich mich . Es bedeutet bloß, dass er einen dafür möglicherweise nur noch mehr hasst.
»Ich werde mich in Zukunft von ihm fernhalten«, sagte ich, vor allem zu mir selbst.
»Genau das versuche ich auch«, stimmte Livia fröhlich zu, als sie aufstand. »So, und jetzt zur Näherin mit dir.«
Und wieder marschierte die Heilerin quer durchs Lager, während ich mich am liebsten am Rand gehalten hätte. Nachdem sie einen Moment schweigend neben mir hergelaufen war, schlug sie mir plötzlich hart auf den Rücken. Meine Schultern zuckten nach hinten, als die Luft mit einem Pfft aus meinen Lungen wich.
»Schon besser«, sagte sie. »Mit einem Buckel bist du viel auffälliger, weißt du.«
Ich bemerkte, dass einige Leute bei diesem Wortwechsel grinsten. Nun ja, sie warfen mir zumindest keine bösen Blicke zu. Oder lachten.
Die Näherin des Lagers, Atiyah, war eine kleine, rundliche Frau mit einem dicken Schopf schwarzer Haare und Baumwollblüten-Tätowierungen auf beiden Wangen.
»Ah, das ist also die Neue? Sie sieht gar nicht so furchterregend aus«, sagte sie und ließ ein langes Maßband zwischen ihren Händen schnalzen. Als ich bei dem Geräusch zusammenfuhr, ließ sie ein überraschend mädchenhaftes Lachen hören. »Keine Angst, wenn du nicht beißt, beiß ich auch nicht.«
Livia leierte eine lange Liste von Anweisungen für Atiyah herunter, die offensichtlich von Luca stammten. Ich erfuhr, dass ich eine »Spezialrüstung« bekommen würde – aus leichtem, anschmiegsamem Leder, das meine Schwachstellen schützen würde: Stulpen, Armschienen, einen Halsschutz und einen Helm. Entgegen meiner Befürchtungen schien die Näherin von dem zusätzlichen Aufwand eher fasziniert als verärgert. Während sie Livia ununterbrochen mit Fragen bombardierte, nahm sie schnell und geschickt Maß. Dann erklärte sie, sie müsse mit Luca über die Materialien reden, sobald er zurück sei. Livia nahm ihr das Versprechen ab, dass ich am nächsten Tag zumindest eine einfache Uniform haben würde. Anschließend brachte sie mich zum Waffenzelt. Dort wurde wieder Maß genommen und ich bekam ein Übungsschwert aus einem stumpfen, weichen Metall, sowie einen Holzknüppel mit Messingkappen an beiden Enden. Als ich protestierte und auf meine Axt hinwies, lachte mir der Waffenmeister nur ins Gesicht. »Damit kannst du doch nicht trainieren!« Er schnaubte. »Du wirst jemanden umbringen, und zwar höchstwahrscheinlich dich selbst.«
»Wie soll ich lernen, besser mit
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