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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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mir die Kehle zu, bis ich kaum sprechen konnte, also nickte ich nur. Metis und meine Mom waren während ihrer Zeit auf Mythos beste Freundinnen gewesen, also wusste ich, dass die Professorin jedes Wort ernst meinte, das sie sagte. Ich fragte mich nur, was es sie kosten würde, mich aus diesem Schlamassel rauszuholen – wenn sie es denn überhaupt konnte.

Ich versprach Daphne, sie später anzurufen, und die Walküre erklärte mir, dass sie und Carson am nächsten Morgen normal zum Kampftraining kommen würden. Dann verabschiedete ich mich von meinen Freunden und folgte Metis die Stufen nach oben und aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Gebäude. Inzwischen war es sogar noch kälter geworden, und der obere Hof war menschenleer. Die anderen Schüler hatten sich bestimmt längst im Speisesaal, der Bibliothek oder ihren Wohnheimen versammelt, um über das zu sprechen, was heute passiert war.
    Die Professorin führte mich über den Campus. Alexei folgte uns. Er sprach nicht mit uns. Tatsächlich machte er nicht das geringste Geräusch. Seine Kleidung raschelte nicht, seine Stiefel erzeugten auf dem Pflaster keinen Laut, nicht einmal sein Atem dampfte in der Kälte wie meiner. Unheimlich.
    Endlich erreichten wir das Styx-Wohnheim und hielten vor dem Gebäude an.
    »Versuch einfach, dich zu entspannen und so wenig wie möglich darüber nachzudenken, okay, Gwen?«, sagte Metis. »Und sei versichert, dass Nickamedes, Ajax und ich unser Möglichstes geben, damit die Anklage gegen dich fallengelassen wird.«
    Ich nickte. »Ich werde es versuchen. Danke. Und ich wollte mich noch für all das hier entschuldigen. Ich hätte nie gedacht … Ich hätte nie gedacht, dass so etwas passieren könnte.« Wieder wurde mir die Kehle eng, und die Worte blieben mir fast im Halse stecken.
    »Ich weiß. Und es ist nicht deine Schuld, nichts davon. Egal was das Protektorat glaubt. Denk immer daran.«
    Metis drückte meinen Arm, drehte sich um und ging zurück in Richtung des oberen Hofs. Alexei folgte ihr zwar, aber ich war trotzdem nicht allein. Inari stand vor dem Wohnheim. Er lehnte an einem Baum unter den Fenstern meines Zimmers. Er trug immer noch seine graue Robe, und zusammen mit seinem schwarzen Haar und dunklen Augen ließ sie ihn wirken, als wäre er nur ein weiterer Schatten in der Landschaft. Anscheinend meinte das Protektorat es ernst damit, mich rund um die Uhr zu überwachen.
    Ich nutzte meinen Ausweis, um die Tür zum Wohnheim zu öffnen, dann stieg ich die Treppe nach oben in den zweiten Stock. Dort lag mein Zimmer in einem eigenen Türmchen, das aus dem Gebäude aufragte. Zu meiner Überraschung kniete eine ältere Frau vor der Tür. Sie hielt einen Lappen in der Hand, und neben ihr stand ein Eimer mit Seifenwasser.
    »Grandma?«, fragte ich. »Was tust du da?«
    Geraldine Frost sah zu mir auf. Ihre violetten Augen hatten exakt dieselbe Farbe wie meine. Grandma musste direkt von ihren nachmittäglichen Sitzungen hierhergekommen sein, denn sie trug noch das, was sie als Gypsy-Kleidung bezeichnete – eine weiße Seidenbluse, eine schwarze Hose und weiche schwarze Schuhe mit nach oben gebogenen Spitzen. Bunte Tücher wanden sich um ihren Körper, und die Münzen an den Fransen klimperten bei jeder Bewegung. Gewöhnlich trug sie ein Tuch wie ein Stirnband, aber heute hingen die eisengrauen Haare locker um das runzlige Gesicht.
    Grandma war eine Gypsy, genau wie ich. Das bedeutete, dass sie wie ich eine besondere Gabe hatte. Bei Grandma war das die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Sie verdiente zusätzliches Geld, indem sie den Leuten in ihrem Haus in Asheville die Zukunft vorhersagte, genauso wie ich meine Psychometrie einsetzte, um Dinge zu finden, die verloren gegangen, vergessen oder gestohlen worden waren.
    Jetzt nicht mehr, erkannte ich plötzlich. Wenn man bedachte, was im Amphitheater passiert war, würde mich nie wieder jemand auf dem Campus anheuern, um vermisste Gegenstände für ihn zu finden. Das hätte mich eigentlich nicht stören sollen, aber das tat es. Sicher, verlorene Handys und gestohlene Armbänder wiederzufinden war nicht der aufregendste oder glamouröseste Job der Welt, aber er gehörte zu mir – war Teil meiner Magie, Teil von, nun ja, mir selbst. Aber jetzt war er auch Teil dessen, was mir das Protektorat genommen hatte, indem Linus mich vor der gesamten Akademie dieser schrecklichen Verbrechen beschuldigt hatte. Ich fragte mich, was ich wohl sonst noch opfern musste, bevor das Ganze

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