Frostglut
Champion zu sein, wenn ich nicht mal den Mord an meiner eigenen Mom rächen konnte?
Ich hörte auf, durch den Raum zu tigern, zog den Vorhang zurück und starrte aus einem der Fenster. Meine Augen suchten den Hof unter mir ab. Es kostete mich mehrere Sekunden, Inaris schmale Gestalt zu entdecken. Er lehnte mit dem Rücken an einem der Bäume und wirkte wie ein beliebiger Schatten in der Nacht. Hätte ich nicht gewusst, dass er da war, hätte ich ihn nicht bemerkt.
Grandma Frost stand auf und spähte ebenfalls aus dem Fenster. »Ist das eine der Protektoratswachen?«
»Ja. Sein Name ist Inari Sato.«
Sie nickte. »Ein Ninja. Ich habe von ihm gehört. Er ist angeblich einer der besten Krieger des Pantheons und eine der wichtigsten Personen im Protektorat.«
»Ja. Wahrscheinlich gleich nach Logans Dad«, moserte ich, bevor ich den Vorhang wieder zurückfallen ließ. »Es gibt noch ein paar andere, die mich bewachen werden. Ein russischer Kerl namens Sergei Sokolov und sein Sohn Alexei. Alexei ist ein Schüler im dritten Jahr und hat bis jetzt die Akademie in London besucht. Logan hat sich benommen, als würde er ihn kennen, und Daphne hat ihn schon mal auf einem Bogenturnier getroffen.«
Grandma schwieg, aber sie hörte die Angst und Frustration in meiner Stimme. Sie ergriff sanft meine Hand. Wie immer umhüllte mich ihre Liebe, sobald ihre Haut meine berührte. Ich konzentrierte mich auf dieses Gefühl, bis es alles andere verdrängte, all die schlimmen Geschehnisse des heutigen Tages und alles, was vielleicht morgen Übles geschehen würde.
»Mach dir keine Sorgen, Süße«, sagte Grandma fast geistesabwesend. »Am Ende wird sich das Problem lösen. Du wirst schon sehen.«
Ihre Augen waren leer und glasig, als betrachte sie etwas, das nur sie sehen konnte. Sie hatte eine ihrer Visionen. Ich konnte fühlen, wie eine Macht sich um sie sammelte – eine alte, geduldige, wissende und wachsame Macht. Ich blieb ruhig und schweigend stehen und hielt Grandmas Hand.
»Für eine Weile wird es recht schwierig sein, aber letztendlich wird es wieder besser«, murmelte sie. »Glaub mir.«
Die Macht legte sich für einen Moment enger um uns beide, als wollte sie uns umarmen, dann verblasste sie abrupt. Grandma blinzelte, ihr Blick wurde klar, und dann war sie wieder sie selbst.
Nyx sprang hoch, um die Münzen an ihren Tüchern zu erreichen, und Grandma lachte, bevor sie sich vorbeugte, um den Wolfswelpen zu streicheln. Sie erzählte mir nicht, was sie gesehen hatte, und ich fragte auch nicht danach. Bei Familie und Freunden fiel es Grandma schwer, zuverlässige Voraussagen zu machen, da ihre Gefühle für eine Person ihre Vision beeinflussen konnten. Also erzählte sie mir nur selten von den Blicken, die sie in meine Zukunft warf. Sie hatte mir erklärt, dass sie nicht wollte, dass ich wichtige Entscheidungen auf der Grundlage von etwas traf, das passieren oder nicht passieren konnte. Ich verstand, warum Grandma wollte, dass ich meinen eigenen Weg im Leben fand. Aber manchmal wäre es durchaus nett gewesen, ein paar Hinweise auf die schlimmen, schlimmen Dinge zu erhalten, die noch am Horizont lauerten.
Grandma ging zu meinem Schreibtisch und hob eine Metalldose in Form eines riesigen Schokokekses hoch. »Wie wäre es mit etwas zu essen?«, fragte sie. »Als Metis angerufen hat, hatte ich gerade eine Ladung Haferkekse mit Rosinen gebacken.«
Grandma Frost liebte das Backen, und sie zauberte ständig süße, kleine Köstlichkeiten, die ich mit in die Akademie nehmen und mit meinen Freunden teilen konnte.
»Außerdem habe ich auf dem Weg angehalten und dir ein Sandwich besorgt«, fügte sie hinzu.
Sie deutete auf eine weiße Papiertüte auf meinem Schreibtisch, und ich wusste, dass sie beim Pork Pit, einem meiner Lieblingsrestaurants, vorbeigefahren war. Doch heute Abend hatte ich einfach keine Lust auf Essen, nicht einmal auf Kekse.
Trotzdem zwang ich mich, sie anzulächeln. »Vielleicht später.«
Grandma leistete mir den Rest des Abends Gesellschaft, während ich Daphne anrief und sie auf den neuesten Stand brachte. Ich rief auch bei Logan an, aber er ging nicht ans Telefon. Wahrscheinlich stritt er immer noch mit seinem Dad. Also hinterließ ich ihm eine Nachricht, in der ich ihm erklärte, dass ich jetzt ins Bett ging und dass wir uns morgen beim Kampftraining sehen würden.
Schließlich, kurz vor der Ausgangssperre um zehn Uhr, stand Grandma auf und verkündete, dass sie besser ginge, bevor die Wohnheime für
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