Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
gewünscht hätte.
Für den Rest des Tages blieb ich bei Nyx und bewunderte, wie klein und perfekt sie war. Daphne und Carson kamen auch vorbei, und zusammen saßen wir einfach nur da und sahen den Welpen an. Ich dachte daran, auch Logan anzurufen, aber jedes Mal, wenn ich seine Nummer wählte, stieg Prestons Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Ich schaffte es einfach nicht, die Angst zu überwinden, dass ich Logan dasselbe antun würde wie dem Schnitter.
Doch es gab noch etwas, das ich tun musste, also bat ich meine Freunde, Nyx noch mal zu füttern, während ich eine Weile unterwegs war.
Ich ging quer über den Campus zur Bibliothek der Altertümer. Drinnen war alles normal. Im Erdgeschoss lachten und tratschten Schüler, während Raven an ihrem Kaffeewagen Snacks und Getränke verkaufte. Nickamedes stand hinter dem Ausleihtresen und half Mrs. Banba, irgendwelches Referenzmaterial zu finden. Er, Metis und Ajax hatten entschieden, ihrem normalen Tagesablauf zu folgen, bis die von den Mächtigen von Mythos entschieden, wie sie mit der Nachricht über Lokis Flucht umgehen wollten.
Ich bemerkte, dass der Bibliothekar mich anstarrte, aber ich ignorierte ihn. Stattdessen stieg ich die Treppe in den zweiten Stock nach oben. Ich hielt kurz an und betrachtete all die Schüler, die dort unten lernten. Sie hatten keine Ahnung, dass ihre Welt sich über Nacht vollkommen verändert hatte. Dann dachte ich an den Angriff aufs Kreios-Kolosseum. Es hatte bereits so viel Tod, Zerstörung und Betrug gegeben. Und jetzt, da Loki frei war, würde es nur schlimmer werden. Ein Krieg zog heran – ein Krieg, von dem ich keine Ahnung hatte, wie wir ihn gewinnen sollten.
Ich wanderte die runde Galerie entlang, bis ich eine bestimmte Statue erreichte – Nike, die griechische Göttin des Sieges. Sie sah aus wie immer, auch wenn ihr Gesicht heute vielleicht ein wenig trauriger wirkte. Ich fragte mich, ob es daran lag, dass ich sie so absolut enttäuscht hatte.
»Es tut mir leid«, sagte ich, und wieder traten mir die Tränen in die Augen. »So leid. Das alles.«
Ich stand da und hoffte, dass die Göttin mir antworten würde, aber natürlich geschah das nicht. Die Götter erschienen den Menschen nur zu ihren eigenen Bedingungen. Trotzdem wusste ich, dass Nike mir irgendwann wieder erscheinen würde, also setzte ich mich neben die Statue, um zu warten.
Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß, während ich darauf wartete, dass Nike sich bewegte, blinzelte, sprach, etwas tat, irgendetwas, das mich wissen ließ, dass noch nicht alle Hoffnung verloren war.
Aber es geschah nichts.
Im Erdgeschoss verkündete Nickamedes, dass die Bibliothek für den Abend schloss, und die wenigen noch verbliebenen Schüler packten ihre Taschen und gingen. Da ich die Nacht nicht eingeschlossen in der Bibliothek verbringen wollte, stand ich auf, stapfte die Stufen nach unten und hielt auf die großen Doppeltüren nach draußen zu. Ich wollte gerade hindurchtreten, als eine Stimme nach mir rief.
»Gwendolyn? Einen Moment, bitte.«
Ich seufzte und drehte mich um. Hinter mir stand Nickamedes, und er hielt etwas in der Hand. Er winkte mich näher, und ich folgte der Aufforderung.
»Was?«, murmelte ich. »Wollen Sie mir einen Vortrag darüber halten, wie sehr ich das Ganze in den Sand gesetzt habe? Das müssen Sie nicht. Vertrauen Sie mir, ich weiß genau, wie übel die Dinge gerade stehen.«
Nickamedes schüttelte den Kopf. »Nein, Gwendolyn, ich werde dir keinen Vortrag halten. Ich finde, du hast dich in Anbetracht der Umstände erstaunlich gut gehalten. Ich weiß nicht, ob ich so tapfer gewesen wäre, wie du es warst.«
Ich blinzelte. Der Bibliothekar hatte mir noch nie ein Kompliment gemacht – noch nie . Ich hatte erwartet, dass er toben und wüten würde, weil ich so ziemlich die gesamte Welt dem Untergang geweiht hatte. Stattdessen bedeutete er mir, mich an einen der Lerntische zu setzen. Verwirrt tat ich, worum er mich gebeten hatte. Nickamedes zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber. Mir ging auf, dass der Bibliothekar zum ersten Mal nicht auf mich herunterschaute. Doch statt mich wirklich anzusehen, hielt er den Blick auf das dünne Stück Papier in seiner Hand gerichtet, als wäre es das Wichtigste, was er je gesehen hatte.
Schließlich räusperte sich Nickamedes. »Vor ein paar Tagen hast du mich gefragt, warum ich dich so sehr hasse.«
»Und jetzt wollen Sie es mir erklären? Super«, murmelte ich.
Der
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