Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
Bibliothekar schüttelte nur den Kopf. »Nein, ich werde es dir nicht erklären, weil ich dich nicht hasse, Gwendolyn. Das habe ich nie getan.«
»Warum dann diese abweisende Haltung, wann immer ich hierherkomme? Denn Sie benehmen sich einfach, als würden Sie mich hassen.«
Nickamedes seufzte tief. »Es ist … kompliziert.«
»Das sind die meisten Dinge auf Mythos«, antwortete ich bissig.
Ich hätte noch einen höhnischen Satz nachgeschoben, wenn ich nicht gesehen hätte, wie ein schmerzerfüllter Ausdruck über das Gesicht des Bibliothekars huschte. »Was ist los? Was habe ich diesmal falsch gemacht?«
Endlich sah Nickamedes mich an. »Nichts. Du hast überhaupt nichts falsch gemacht, aber ich gebe zu, dass es für mich … schwierig war, mit dir zu arbeiten, Gwendolyn. Und dein ständiges Zuspätkommen ist nicht der einzige Grund dafür.«
Er holte tief Luft. »Ich kannte deine Mutter, weißt du? Damals, als wir beide nach Mythos gingen. Wir waren sogar ziemlich gut befreundet, Grace, Aurora und ich.«
Nickamedes drehte das Stück Papier um, das er in Händen hielt, und erst da verstand ich, dass es ein Foto war – ein Foto von meiner Mom, Metis und Nickamedes, die zusammen auf den Bibliotheksstufen saßen und über irgendetwas lachten.
Mir stockte der Atem. »Woher … woher haben Sie das?«
»Es ist aus dem Tagebuch deiner Mutter gerutscht, als dir vor ein paar Tagen die Tasche heruntergefallen ist«, sagte er. »Das Foto ist unter einem der Tische gelandet. Ich habe noch versucht, es dir zurückzugeben, aber du warst bereits fort.«
Deswegen also hatte er mir an diesem Abend noch hinterhergerufen. Ich hatte gedacht, er wollte sich daran weiden, dass Logan mich abgesägt hatte.
»Sie waren mit meiner Mom befreundet?«, fragte ich. »Wirklich?«
Er nickte, und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Wirklich. Grace, Aurora und ich haben zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Wir hatten damals große Träume, weißt du. Darüber, wie wir uns den Schnittern stellen und die Welt verändern würden, wie wir dafür sorgen würden, dass sie für alle anderen Krieger dort draußen ein sicherer Ort wird, sodass sie vielleicht nicht länger alle Krieger sein müssen.«
»Was ist passiert?«, fragte ich, weil ich bereits spürte, dass diese Geschichte kein Happy End haben würde.
Nickamedes zuckte mit den Schultern. »Wir haben gegen Schnitter gekämpft, die ganze Zeit, die wir auf Mythos waren, und Grace und Aurora wurden als Champions auserwählt. Doch dann veränderte sich alles. Wir veränderten uns. Als der Abschluss näher rückte, waren wir nicht mehr die Leute, die du auf diesem Foto siehst. Deine Mutter war … müde. Sie war es müde geworden, gegen Schnitter zu kämpfen, ein Champion zu sein, war des Blutes und des Todes und der Verantwortung müde geworden.«
Ich konnte mir genau vorstellen, wie sie sich gefühlt hatte. Ich war erst seit ein paar Monaten Nikes Champion, aber es schien mir, dass die Schnitter einfach nicht totzukriegen waren, egal was ich tat, egal wie hart ich kämpfte. Und jetzt, da Loki frei war, würde es nur noch schlimmer werden – so viel schlimmer.
»Auf jeden Fall, kurz vor der Abschlussfeier, haben deine Mutter und ich uns … wir haben diskutiert«, fuhr Nickamedes fort. »Ich wollte mich dem Pantheon anschließen. Das Pantheon hat seine eigenen Polizeikräfte, weißt du, mit Mitgliedern in der gesamten Welt, die sich der Aufgabe widmen, Schnitter zu finden und ins Gefängnis zu bringen, wo sie hingehören. Seit ich nach Mythos ging, war es mein großer Traum, mich ihnen anzuschließen. Und es war auch Graces Traum gewesen.«
»Aber sie hatte sich verändert«, sagte ich in Reaktion auf die Gefühle in der Luft. »Und sie wollte nicht mehr kämpfen, richtig? Nach der Abschlussfeier.«
Nickamedes schüttelte den Kopf. »Nein, und ich konnte einfach nicht verstehen, warum. Sie war doch ein Champion, sie hatte so viel Macht, so viel Magie. Ich habe ihr einige Dinge vorgeworfen … Nun, lass uns einfach sagen, ich war nicht besonders nett. Im Wesentlichen habe ich sie einen Drückeberger genannt und ihr erklärt, dass sie es nicht verdient hat, Nikes Champion zu sein.«
Ich verzog das Gesicht. »Klingt in meinen Ohren ziemlich hart.«
Nickamedes schenkte mir ein trauriges Lächeln. »Das war es, und ich bereue es mehr, als du je verstehen wirst. Nach dem Abschluss trennten sich unsere Wege. Schließlich entschied ich mich, hierher zurückzukommen und mich
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