Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
Dann fragte ich mich, ob es je aufhören würde, wehzutun, oder ob es wegen allem, was passiert war, immer schmerzen würde.
»Gwen?«, fragte Daphne. »Soll ich bei dir bleiben?«
Die Worte der Walküre durchdrangen meine Benommenheit. Daphne war mit zu meinem Zimmer gekommen, obwohl ich darauf bestanden hatte, dass ich es auch allein schaffte.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss ein bisschen allein sein. Okay?«
Es gefiel Daphne nicht besonders, aber sie nickte, während sie sich gleichzeitig auf die Lippe biss. Vorsichtig legte meine Freundin die Arme um mich und drückte mich, wie die anderen es getan hatten. Sie alle hatten mich umarmt oder gedrückt, bevor wir Grandma Frosts Haus verlassen hatten, als könnte mich das davon überzeugen, dass ich für sie keine Bedrohung darstellte. Doch nichts konnte das – zumindest nicht im Moment.
Daphne bemühte sich, sanft zu sein, trotzdem brach sie mir mit ihrer Walkürenstärke fast den Rücken. Ich stand absolut bewegungslos, wobei ich sorgfältig darauf achtete, dass meine Haut nicht mir ihrer in Kontakt kam. Schließlich ließ sie die Arme wieder sinken und trat zurück.
»Ruf mich später an, okay?«, sagte sie mit besorgter Stimme.
Ich nickte, obwohl ich nicht vorhatte, das zu tun. Ich hatte nicht vor, überhaupt irgendetwas zu tun. Was für einen Sinn hätte das schon? Ich hatte alles so dermaßen in den Sand gesetzt. Loki war frei, und bald würden seine Schnitter des Chaos die Welt übernehmen und den Rest von uns töten oder versklaven. Was hatte es für einen Sinn, überhaupt noch etwas zu tun?
Ich hatte mich noch nie in meinem gesamten Leben so schlecht gefühlt, und ich wusste, dass ich es verdient hatte. Es war meine Schuld – alles meine Schuld. Wenn ich nur bemerkt hätte, was Vivian vorhatte, wenn ich den Dolch nur in seinem Versteck gelassen hätte, dann wäre er in Sicherheit gewesen und Loki säße immer noch in seinem Gefängnis. Stattdessen hatte ich den bösen Gott auf die Welt losgelassen. Ich war nicht Gwen Frost, das Gypsymädchen, das Dinge sah. Jetzt nicht mehr. Jetzt war ich einfach nur Gwen Frost, die totale, absolute Versagerin.
Daphne ging. Ich betrat das Zimmer und warf meine Tasche auf den Boden. Zum zweiten Mal diese Woche hatte Metis die Tasche zu Grandma Frosts Haus gebracht. Ich öffnete sie und zog Vic heraus, der immer noch in seiner schwarzen Lederscheide steckte. Ich hatte nie die Chance erhalten, ihn gegen Vivian und die anderen Schnitter zu schwingen. Was war ich nur für ein Krieger-Wunderkind.
Vics Auge sprang auf, und er musterte mich mehrere Sekunden lang. »Es ist nicht deine Schuld, Gwen. Nichts von all dem ist deine Schuld. Selbst Champions sind nicht unfehlbar.«
Selbst Vic war nett zu mir, was mir nur deutlich machte, wie absolut ich versagt hatte.
»Danke, Vic«, murmelte ich und hängte die Waffe an ihren Haken an der Wand.
Das Schwert sah mich weiterhin an. Ich ließ mich aufs Bett fallen, um seinem Blick auszuweichen. Loki, Vivian, Preston, Nott, Logan. All die Bilder der letzten Tage wirbelten durch meinen Kopf und verstärkten meine Schuldgefühle noch. Ich weiß nicht, wie lange ich dort gelegen und an die Decke gestarrt hätte, hätte nicht ein leises, vertrautes Winseln meine Aufmerksamkeit erregt.
»Nott?«, flüsterte ich und setzte mich auf.
Der Raum war leer.
Dann erinnerte ich mich. Nott war von uns gegangen. Ich hatte die Wölfin sterben sehen, hatte sie in den Armen gehalten, während es geschehen war. Es war nur meine Einbildung, nur meine Gypsygabe, die mir einen üblen, grausamen Scherz spielte. Ich wollte mich gerade wieder aufs Bett fallen lassen, als ich das Winseln erneut hörte.
Ein weiteres Mal sah ich mich im Raum um. In dem Deckenhaufen, auf dem Nott geschlafen hatte, bewegte sich etwas! Es wirkte klein, trotzdem schnappte ich mir Vic. Dann schlich ich zu den Decken, beugte mich vor und zog sie vorsichtig zur Seite.
Ein neugeborener Wolfswelpe blickte winselnd zu mir auf.
Mir fiel die Kinnlade nach unten, und ich konnte nichts anderes tun, als dazustehen und zu starren. Wie? Warum? Wann? Meine Gedanken rasten ziellos von hier nach dort, aber schließlich fand ich die Antwort.
»Nott«, flüsterte ich.
Die Wölfin musste ihr Baby bekommen haben, während ich entführt worden war. Dann hatte sie auf irgendeine Weise gespürt, dass etwas nicht stimmte, und war losgelaufen, um mich zu suchen. Grandma Frost hatte gesagt, die Wölfin und ich ständen in irgendeiner
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