Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
Bilder von anderen Schülern, die durch die verblassten Seiten blätterten. Die meisten der Bücher waren seit Jahren nicht angefasst worden, und die Erinnerungen, die sie vielleicht einmal gehalten hatten, waren schon lange verblasst.
Was ich aufwirbelte, war Staub. Bald schon schwebte ein Schwarm von Staubmotten um mich herum und erinnerte mich an die Magiefunken, die ständig aus Daphnes Fingern sprühten. Ich hatte der Walküre während der Arbeit noch mal gesimst, hatte ihr erzählt, dass ich ein mögliches Versteck des Dolches entdeckt hatte und es am Abend auschecken wollte. Aber sie hatte nicht reagiert. Nicht mal, um mir zu sagen, dass sie heute Abend anderweitig beschäftigt war. Ich wusste einfach nicht, was mit meiner besten Freundin los war, und das machte mir Sorgen.
Die meisten der Bücher beschäftigten sich mit den Gebäuden und nicht mit den Statuen, aber schließlich fand ich ein paar, die vielleicht nützlich sein konnten, darunter ein Wälzer, auf dessen Einband die silberne Prägung eines Greifen prangte. Ich las den Titel. Die Verwendung von Greifen, Gargoyles und anderen mythischen Kreaturen in der Architektur. Nun, das klang hochtrabend genug für Metis’ Unterricht. Ich blätterte durch die Seiten und entdeckte mehrere Fotos von Steingreifen, auch ein Bild, das die beiden Statuen vor der Bibliothek zeigte. Bingo. Ich klappte das Buch zu und klemmte es mir unter den Arm. Wer hätte das geahnt? Ganz abgesehen davon, dass ich es als Quelle verwenden konnte, würde mir das Buch vielleicht verraten, warum die Statuen mich die ganze Zeit zu beobachten schienen …
Das Quietschen eines Turnschuhs ließ mich erstarren.
Es war ein leises, mattes Geräusch, das ich wahrscheinlich überhaupt nicht gehört hätte, wenn es in der Bibliothek nicht so absolut still gewesen wäre. Ich sah nach unten und bemerkte einen Schatten auf dem Boden neben mir, der sich näher und näher schob. Ich hielt den Kopf gesenkt, als musterte ich immer noch das Regalbrett vor mir, während ich das Greifenbuch fester packte. Der Schatten näherte sich weiter, bis er direkt neben mir war. Da wirbelte ich herum und riss das Buch hoch, bereit, es demjenigen, der hinter mir herangeschlichen war, so fest wie möglich auf den Kopf zu knallen.
Doch da war niemand – absolut gar niemand.
Ich schaute panisch von rechts nach links und musterte den gesamten Verlauf der Galerie. Niemand erschien, und nichts bewegte sich, nicht einmal die Statuen. Ich wollte wirklich dringend einfach rufen und fragen, ob jemand hier war. Aber das sorgte in Horrorfilmen immer dafür, dass jemand starb, also entschied ich mich dafür, den Mund zu halten. Stattdessen packte ich das Greifenbuch noch fester, schlich auf Zehenspitzen zur Treppe und eilte sie nach unten, bis ich wieder im Erdgeschoss war.
Dann huschte ich zwischen die Regale. Meine Augen bewegten sich von rechts nach links, während ich auf den Ausleihtresen zuhielt. Nickamedes war vielleicht eine ziemliche Nervensäge, aber mich von ihm anschreien zu lassen war besser, als hier herumzustehen und darauf zu warten, dass ein Schnitter heranschlich und mich angriff. Ich war es langsam so dermaßen leid, in der Bibliothek um mein Leben zu kämpfen.
Ich sah nichts außer Büchern, Büchern und noch mehr Büchern. Doch aus irgendeinem Grund ließ mich das Gefühl nicht los, dass ich nicht allein war, dass sich hinter den hohen Regalen jemand versteckte und in den Schatten herumkroch. Noch schlimmer war, dass ich plötzlich stechendes Kopfweh bekam, als würden sich unsichtbare Finger nach und nach tief in mein Hirn krallen.
Gypsy … Eine raue Stimme hallte durch die Bibliothek. Oh, Gypsy, ich komme, dich zu töten.
Wieder erstarrte ich, während mir das Herz in die Hose rutschte und ich kaum noch atmen konnte. Es waren nicht so sehr die geflüsterten Worte, die mir solche Angst einjagten; es war die Person, von der sie stammten – Preston Ashton hatte sie ausgesprochen, als er mich durch die Baustelle im Powder Skiresort gejagt hatte. Noch schlimmer war, dass Preston auch gedroht hatte, meine Grandma ins Visier zu nehmen und sie genauso zu töten, wie er dem Schnittermädchen dabei geholfen hatte, meine Mom umzubringen.
Doch Preston konnte nicht auf dem Campus unterwegs sein. Das war einfach unmöglich. Preston saß im Gefängnis der Akademie tief unter dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Gebäude. Ich war mir nicht sicher, woher der Gedanke kam, aber plötzlich dachte ich an das
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