Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
habe gehört, dass du andere Dinge finden kannst. Sachen, die verloren gegangen sind … oder vielleicht sogar gestohlen wurden.«
»Ja, ab und zu mache ich das.«
Tatsächlich eher zweimal die Woche, wenn man bedachte, dass die Schüler von Mythos mit ihren Handys umgingen wie die meisten Leute mit gebrauchten Taschentüchern. Ganz abgesehen von all den anderen Dingen, die sie verloren, verlegten oder von anderen Schülern mitgehen ließen.
»Was ist verloren gegangen?«
»Oder wurde geklaut.« Vivian verzog das Gesicht, als fiele es ihr schwer, die Worte laut auszusprechen, oder als würde es sie irgendwie wahr machen, dass sie sie überhaupt aussprach. Doch dieser fiese Gedanke passte absolut nicht zu ihrer sanften, melodischen Stimme.
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Okay, was wurde dir geklaut?«
Sie biss sich auf die Lippe. »Na ja, ich weiß nicht, ob es wirklich gestohlen wurde. Es ist nur so, dass ich immer wirklich gut auf meine Sachen aufpasse, verstehst du? Ich weiß immer gerne, wo alles gerade ist.«
Okay, das klang, als hätte Vivian so ein Ordnungsfanatikerding am Laufen, aber das war okay. Ab und zu ging es mir genauso.
»Also, was ist verschwunden?«, fragte ich. »Handy, Schlüssel, deine Kreditkarten?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nichts in der Art. Du findest es wahrscheinlich albern, aber ich habe einen Ring verloren. Einen ganz besonderen Ring.«
»Wie sieht dieser Ring aus? Hast du ein Foto davon? Und was ist so besonders daran?«
Das waren meine Standardfragen, wann immer jemand wollte, dass ich etwas für ihn fand. Es half, wenn ich genau wusste, wonach ich suchte, und nicht nur eine vage Beschreibung hatte wie ein Ring oder mein Handy oder mein schwarzer Lieblings- BH . Meistens allerdings musste ich letztendlich doch blind arbeiten, weil nur wenige Leute je daran dachten, die Dinge, die sie so schätzten, wie zum Beispiel Schmuck, auch mal zu fotografieren. Also war ich positiv überrascht, als Vivian ihr Handy aus der Handtasche zog und die Bilder darauf durchging.
»Hier«, sagte sie. »Das ist er.«
Sie drehte das Handy, sodass ich das Foto auf dem Bildschirm sehen konnte. Ich lehnte mich vor, um besser zu sehen. Auf dem Foto hatte Vivian den Arm um Savannah gelegt, und beide lächelten. An Vivians rechtem Ringfinger prangte ein schmales Metallband. Es war ein recht einfacher Ring aus massivem Gold, doch oben erhoben sich aus dem Band zwei kleine Gesichter, eines weinend und nach links gewandt, das andere lachend und mit dem Blick nach rechts.
»So wie du über den Ring gesprochen hast, hätte ich erwartet, dass er vollkommen mit Diamanten überzogen ist, aber das ist cool. Bedeutet es was?«
Vor Jahrhunderten hatten die Götter und Göttinnen auf beiden Seiten des Chaoskrieges ihre Champions und Krieger für ihre loyalen Dienste mit Gold, Silber und Juwelen belohnt. Die Krieger hatten den Reichtum bewahrt, hatten ihn investiert und was weiß ich was. Das war der Grund, warum die Mythos-Schüler alle Eltern hatten, die so stinkreich waren, dass sie es sich leisten konnten, ihren Kindern das Beste von allem zu kaufen. Die meisten Jugendlichen auf der Akademie, besonders die Mädchen, besaßen mehr Klunker als ein Hollywoodstar.
»Danke«, sagte Vivian. »Das Design zeigt Theatermasken aus antiker Zeit. Manchmal nennt man sie Janusmasken, nach dem römischen Gott. Ich habe den Ring, weil ich in der Theatergruppe bin, genauso wie meine Mom, als sie nach Mythos gegangen ist.«
Sie wurde rot und senkte den Kopf, fast als würde sie erwarten, dass ich mich über sie lustig machte, weil sie mir so viel von sich erzählte. Daphne hatte recht. Vivian war eine noch scheuere, unsicherere Streberin als ich. Ich fragte mich, wie jemand so Ruhiges in Mythos überhaupt überleben konnte, wo es auf der Schule doch quasi als Kunstform betrachtet wurde, neue Wege zu finden, bösartig und gemein zu sein.
»Nun, ich finde es cool, dass du in der Theatergruppe bist«, meinte ich. »Ich mag Comics. Du weißt schon, Superhelden, Bösewichter, so in der Art. Mir gefällt, dass die Guten am Ende immer gewinnen.«
»Cool.« Vivian schenkte mir ein kleines Lächeln, das ich erwiderte.
»Also, was passiert jetzt?«, fragte sie. »Bezahle ich dich, bevor du den Ring findest? Oder hinterher?«
»Ich nehme einen Vorschuss von hundert Dollar«, erklärte ich. »Den kannst du mir morgen Nachmittag geben, wenn ich in dein Zimmer komme, um nach dem Ring zu suchen. Wenn ich ihn finde, kriege
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