Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)

wäre nur zu gerne vorgetreten, um mich umzubringen. Ich biss mir auf die Lippe und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, welch schreckliche Angst ich vor ihnen und vor dem hatte, was sie mir antun wollten.
    »Was ist das hier?«, fragte ich.
    »Das«, erklärte Vivian mit tiefer Befriedigung in der Stimme, »ist ein Gram-Tor, eines von Hunderten in der gesamten Welt. Es dient als Portal zu anderen Toren und selbst zu anderen Gefilden – inklusive Helheim.«
    »Helheim?«, flüsterte ich.
    Von meinen Recherchen über den Dolch wusste ich, dass die Waffe nach Helheim benannt war, der nordischen Welt der Toten – und dem Gefängnisgefilde, in dem Loki festsaß. Angeblich war es ein Ort, von dem niemand – ob nun Gott oder Mensch – entkommen konnte, aber ich hatte das furchtbare Gefühl, dass diese Behauptung heute Nacht widerlegt werden würde.
    Vivian sah mich mit spöttischem Gesichtsausdruck an. »Du fügst die Teile gerade erst zusammen, oder, Gwen? Ich muss sagen, mir gefällt der Ausdruck zunehmenden Entsetzens in deinem Gesicht.«
    Ich wollte weitere Fragen stellen, bekam aber nicht die Gelegenheit dazu, da Preston und der Mann mich in die Mitte des Steinkreises schleppten. Etwas war in den Marmor unter meinen Füßen gemeißelt, und es kostete mich ein paar Sekunden, zu verstehen, was es war – eine Hand, die eine Waage im Gleichgewicht hielt. Genau dieselbe Hand und genau dieselbe Waage wie an der Decke des Akademie-Gefängnisses.
    Vivian marschierte ebenfalls in die Mitte des Kreises. Von dort sah sie die anderen Schnitter an, die sich um uns versammelt hatten.
    »Wir haben sehr, sehr lange auf diesen Moment gewartet«, sagte sie. »Jahrhundertelang haben unsere Vorfahren Loki treu gedient und sich auf den Tag vorbereitet, an dem wir endlich unseren Gott aus dem Gefängnis befreien können, in dem er so lange eingesperrt war. Nun, dieser Tag ist endlich gekommen.«
    Ja, ich wusste, dass ich sterben würde. Trotzdem konnte ich es mir nicht verkneifen, angesichts ihrer förmlichen, bombastischen Worte die Augen zu verdrehen. Hast du das vor dem Spiegel geübt, Viv?
    »Ihr wisst alle, was zu tun ist«, sprach Vivian weiter. »Also lasst uns anfangen.«
    Die Schnitter begannen zu singen, zuerst leise, ganz leise. Ich wusste nicht, welche Art von magischem Hokuspokus sie von sich gaben, aber der Klang ihrer Worte jagte mir einen Schauder über den Rücken. Langsam wurden die Worte schärfer, bis es sich anfühlte, als wäre die Luft voller kalter Messer, die gegen meine Haut drückten, jederzeit bereit, mich aufzuschlitzen, falls ich mehr tat als einfach nur atmen.
    Vivian richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich. Sie ließ den Helheim-Dolch in ihrer Hand herumwirbeln, als wäre er der Tambourstock einer Cheerleaderin und nicht das mächtige, gefährliche Artefakt, das er nun einmal war.
    »Ich weiß, dass du dich fragst, warum ich dich nicht im Akademie-Gefängnis getötet habe, als ich die Chance dazu hatte, oder sogar damals im Herbst, als du ganz neu auf Mythos warst«, sagte sie. »Die Antwort ist einfach – wir brauchten dich, damit du den Dolch für uns findest, und wir brauchen dein Blut. Frisches Blut und nicht Blut, das bereits vergossen wurde. Natürlich hat Jasmine fast alles ruiniert, genauso wie ihr großer Bruder Preston.«
    Bei diesen Worten versteifte sich Preston neben mir, aber er sagte nichts. Ich hatte gedacht, er könnte niemanden mehr hassen als mich, aber selbst hier zwischen all den Schnittern spürte ich den besonderen, eifersüchtigen Hass, den er gegen Vivian hegte.
    Preston und der andere Mann hielten mich fest, während Vivian auf mich zukam. Der Dolch glänzte in ihrer Hand. Mein Magen verkrampfte sich, und plötzlich wurde mir klar, was sie tun würde – Vivian würde mich opfern, um Loki aus seinem Gefängnis zu befreien.
    Grandma Frost hatte gesagt, ein Champion zu sein machte einen zur Zielscheibe für die Schnitter. Nike hatte mir dasselbe erklärt, nur dass sie noch hinzugefügt hatte, dass das Blut eines Champions Macht besaß – enorme Macht, da die betreffende Person von einem Gott auserwählt worden war. Ich fand, das ergab Sinn. Nike hatte dabei geholfen, Loki einzusperren, und jetzt würde Vivian den bösartigen Gott durch meinen blutigen Tod befreien.
    Und es gab absolut gar nichts, was ich tun konnte, um sie aufzuhalten.
    Wenn ich versuchte, mich zu befreien, würde Preston mich mit seinem Schwert durchbohren. Wenn ich stillhielt, würde Vivian mich mit