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Frostherz

Frostherz

Titel: Frostherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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reden wollte? Er warf nur kurze Blicke in die Zimmer, murmelte »schön, schön« und ging schon ins nächste. Im Schlafzimmer allerdings entdeckte er sofort die Cäcilien-Knabenchor-Chronik auf dem Nachttisch und nahm sie begeistert in die Hand.
    »Ach, auch jemand aus Ihrer Familie hat mitgesungen?«, erkundigte er sich und strich liebevoll über das Buchcover. Johann hüstelte und erwiderte: »Ich selbst war für sehr kurze Zeit in dem Chor, aber ich war wohl nicht talentiert genug.« Er nahm dem Lehrer das Buch ab und legte es zurück. Von Derking drehte sich eilig um und lief die Treppe nach unten. Dort sah er sich nach der Küche um und fragte, ob er ein Glas Wasser haben könne. Anne bat ihn mitzukommen. Als sie sich nach der Schranktür über der Spüle streckte, fiel ihr das Likörglas auf, das noch immer ungespült dort stand. Sie vergaß einen Moment, was sie gerade tun wollte, und verharrte reglos vor der geöffneten Schranktür. Sie sollte über etwas nachdenken, das spürte sie genau. Aber im Moment hatte sie keine Ahnung, worüber. Von Derking griff mit einem »darf ich« über ihren Kopf hinweg nach einem Glas. Anne zuckte zusammen, machte dann aber Platz für den Lehrer, damit sich dieser selbst Wasser in das Glas füllen konnte. Der Kini öffnete den Hahn und ließ das Wasser ein wenig laufen.
    »Ist ja sicher schon etwas abgestanden«, erklärte er. Dann füllte er sein Glas. Als er den Arm zurückzog, stieß er mit dem Ellenbogen an das seitlich von ihm stehende Likörglas. Es gab ein lautes Klirren und das Glas zerbarst auf dem harten Fliesenboden in unzählige Splitter.
    »Ach, herrje«, murmelte von Derking. »Das tut mir aber leid. Das habe ich gar nicht gesehen, das Glas! Vorsicht, verletze dich nicht, Anne.« Johann und Marita Jung streckten den Kopf zur Küchentür herein, wo Anne bereits auf dem Boden hockte und die Scherben mit Kehrblech und Besen auffegte.
    »Nicht so tragisch«, sagte Johann. »Dieser alte Plunder muss ja sowieso raus. Ich bin übrigens schon sehr gespannt auf das Konzert. Anne wird doch sicher wieder…«
    »Das ist noch nicht ganz raus«, unterbrach Anne ihren Vater und schüttete mit hochrotem Kopf die Glasreste in eine Mülltüte.
    »Ja, natürlich, Anne singt den Reger sehr schön«, sagte von Derking völlig selbstverständlich und zwinkerte dem Mädchen freundlich zu. »Das wird bestimmt ein wunderbares Konzert, meinst du nicht auch, Anne? Jetzt wo wir uns…«
    »Oh, ich habe oben noch was vergessen«, sagte Anne schnell und rannte aus der Küche.
    »Ja, gut, ich werde mir das mit dem Haus überlegen. Soweit ich weiß, hat der Kollege Rosen auch Interesse daran«, hörte sie den Kini aus dem Flur, während sie die Treppe hinaufging. Sie wollte endlich die Chronik mit nach Hause nehmen und sie in Ruhe anschauen. Vielleicht würde sie ja ein Bild von Andreas darin entdecken. Und noch etwas wüsste sie zu gern: Wie lange war von Derking eigentlich schon im Cäcilien-Chor aktiv? Könnte er ihren Onkel Andreas gekannt haben? Und war ihm der Stoppt-Strauß-Anstecker damals schon ein Dorn im Auge gewesen?
    Der Freitag und damit das Konzert kamen schneller, als Anne gedacht hatte. Bei der Generalprobe hatte Maike, die ihren Solopart hätte übernehmen sollen, natürlich gemeutert, weil sie ihren Auftritt genauso schnell verloren wie zuvor gewonnen hatte. Aber Anne ließ das Gemecker der Mitschülerin einfach nicht an sich heran.
    In ihrem kurzen schwarzen Rock und der weißen Bluse, die Haare weich aufgesteckt und ein klein wenig Schminke im Gesicht kam sich Anne ziemlich verkleidet vor. Vor lauter Lampenfieber hatte sie den ganzen Tag nichts essen können und momentan das Gefühl, sie würde gleich umkippen. Cornelius hatte versprochen zu kommen, aber als sie nun mit den anderen Sängern im Gänsemarsch die Bühne der Aula betrat, konnte sie ihn in dem Menschengewimmel nicht entdecken. In der zweiten Reihe sah sie Johann und neben ihm hatte Hedi Platz genommen. Anne zwinkerte ihr zu. Schräg hinter den beiden entdeckte sie sogar Marita Jung, die sich erstaunlicherweise mit Brunner unterhielt, der neben ihr saß. Gerade als der Kini den Taktstock hob und der Pianist das »A« anschlug, öffnete sich noch einmal die Tür und Cornelius – in quietschroten, knallengen Hosen zu seinem blauen Jackett – wischte herein. Er lehnte sich an eine der Säulen, die die Aula begrenzten, und lächelte zu Anne hinüber. Unter dem Arm klemmte sein Motorradhelm.
    Kaum hatte sie die

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