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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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aus weißem Stein, in dem schillernde Farbtupfer eingeschlossen waren – himmelblau, rosa, ein sanfter Fliederton. Vier Säulen ragten über der Bühne auf, jede mit einer Chimäre darauf, die einen Ball zwischen den gebogenen Klauen hielt und hinausstarrte auf die Sitzreihen und damit die Besucher.
    Als ich ankam, war die Bühne bereits fort, und in einer Umrandung aus weißen Steinen ganz unten im Amphitheater war ein kleines Feuer entzündet worden. Ich hatte erwartet, dass die anderen inzwischen schon halb betrunken lachten und sich unterhielten, aber stattdessen waren alle ruhig, fast ernst. Statt in ihren üblichen Cliquen die Köpfe zusammenzustecken und zu tratschen, standen die Schüler alle in einer einzigen Reihe, die sich die Stufen des Amphitheaters nach oben zog. Ich war mir nicht sicher, was das sollte, also hielt ich mich im Hintergrund, stellte mich nicht in die Reihe und achtete sorgfältig darauf, nicht in den flackernden Feuerschein zu treten.
    Einer nach dem anderen gingen die Schüler an einem großen Mann vorbei, der einen königsblauen Umhang trug und auf dessen Kopf eine Krone aus silbernen Blättern ruhte. Er wurde von hinten vom Feuer beleuchtet, und ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass es ausgerechnet Nickamedes war. Was tat er da? Und warum trug er diesen lächerlichen Umhang und die Krone? War er für einen Abend Liverollenspiel in der Welt von Dungeons & Dragons verkleidet oder was?
    Anscheinend fanden die anderen Schüler das Aussehen des Bibliothekars nicht im Mindesten seltsam. Ich hörte keine spöttischen Kommentare, kein heimliches Kichern, gar nichts. Alle waren so still, als wären sie auf einer Beerdigung. Die Leute, die an Nickamedes vorbeigingen, griffen in eine große Silberschüssel, die er hielt, und nahmen sich eine Handvoll von dem, was darin war. Ich beobachtete, wie das erste Mädchen in der Reihe zu dem Steinring ging. Es blieb für einen Moment vor den Flammen stehen, dann warf es eine Handvoll silbernen Staub in das Herz des Feuers.
    WHUUSCH!
    Was auch immer das für Staub war, er ließ das Feuer höher auflodern und heißer brennen, und die orangefarbenen Flammen bekamen einen leichten Silberstich. Einer nach dem anderen wiederholten die Schüler in der Reihe den Vorgang, und unter ihnen waren auch Metis, Trainer Ajax und einige der anderen Professoren. Als der letzte Schüler fertig war, reichten die Flammen bis zur obersten Stufe des Amphitheaters, und die Hitze ließ die Luft zucken und wabern, als wäre sie lebendig. Aber es war mehr als nur die Hitze. Die Luft veränderte sich, als wäre sie mit irgendetwas aufgeladen . Es war die Art von alter, wachsamer, wissender Macht, die ich immer fühlte, wenn Grandma Frost eine ihrer Visionen hatte. Ich schauderte und schlang die Arme um den Körper. Ich mochte ja den ganzen magischen Hokuspokus nicht glauben, von dem die Profs ständig sprachen, aber hier, heute Abend konnte ich fast glauben, dass es Götter und Monster wirklich gab – und dass sie uns alle beobachteten.
    »Wir weihen dieses Feuer allen, die vor uns gekämpft haben«, sagte Nickamedes. »Das Licht ihres Opfers wird immer die Dunkelheit bannen und Ordnung ins Chaos bringen. Durch sie leben wir, und sie leben in uns weiter.«
    »Und sie leben in uns weiter«, murmelten alle, und die Worte verbreiteten sich durch die Dunkelheit.
    Für einen Moment loderte das Feuer noch höher und heller, die Flammen eher silbern als golden. Dann blinzelte ich, und die Illusion verschwand. Es war einfach ein Lagerfeuer, das in seinem Steinring brannte, während sein fröhliches Prasseln und süßer Rauch die Luft erfüllten – nicht mehr.
    Einfach so war das Ritual beendet, und alle entspannten sich. Es verging kaum eine Minute, bevor sich die Schüler wieder in ihren üblichen Cliquen zusammenfanden. Es schien, als hätte ich nur geblinzelt, und schon war das Bild vor meinen Augen genau das, was es von Anfang an hätte sein sollen.
    Jugendliche standen lachend ums Feuer und unterhielten sich kichernd, während andere in Liegestühlen saßen oder sich unter Decken auf den Steinstufen aneinanderkuschelten. Ich hatte sie bis jetzt nicht bemerkt, aber ein paar Schritte entfernt standen mehrere Tische mit dem üblichen Etepetete-Essen und Getränken. Einige Schüler hatten bereits lange Metallstangen hervorgezogen, die sie benutzten, um bauschige Gourmet-Marshmallows über dem Feuer zu rösten.
    Dieser Anblick half mir dabei, das seltsame Gefühl

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