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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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aufgewühlten Hirn fand ich Antworten auf diese Fragen. Also klappte ich das dicke Buch zu, legte es auf meinen Nachttisch und kroch unter die weiche Bettdecke. Trotzdem dauerte es eine lange, lange Zeit, bis ich es endlich schaffte, meine Fragen zurückzudrängen und einzuschlafen.

Der nächste Tag war unglaublich langweilig. Der Unterricht zog sich wie Kaugummi, und für die anderen Schüler war ich so unsichtbar wie immer. Alle sprachen nur darüber, wer gestern beim Lagerfeuer zusammengekommen war oder sich getrennt hatte und welche Auswirkungen das alles auf den großen Ball heute Abend hatte. Selbst die Professoren schienen nicht mehr zu erwarten, dass die Schüler wirklich etwas lernten, denn in den meisten Vormittagsstunden sollten wir frei arbeiten.
    In Wahrheit waren es einfach nur Tratschstunden über den kommenden Ball. Wer mit wem hinging, welche Designerkleider die Mädchen trugen und wie viel sie gekostet hatten, welches Wohnheim die beste Anschlussparty geplant und das meiste Bier auf Lager hatte. Es waren so ziemlich die gleichen Unterhaltungen, die auch auf meiner alten Schule stattgefunden hätten. Nur dass ich dort vielleicht tatsächlich auf den Ball gegangen wäre, statt den ganzen Abend in meinem Zimmer zu verbringen, wie es hier der Fall war.
    In gewisser Weise war ich froh, dass ich nicht zum Ball ging. Denn neben all dem Gerede über Pärchen und Trennungen wurde auch über ein anderes Ritual geflüstert. Anscheinend dankten der Lehrkörper und die Schüler der Mythos Academy vor dem großen Ball immer den Göttern dafür, dass sie sie wieder für ein Jahr beschützt hatten. Es schien einem Erntedankfest zu ähneln. Ich schauderte und dachte daran, was ich gestern am Lagerfeuer beobachtet hatte – die silbrigen Flammen und die alte, uralte Macht, die die Luft erfüllt hatte. Für diese Woche hatte ich mein Limit an magischem Hokuspokus schon erreicht – ich hatte überhaupt kein Interesse daran, noch mehr zu sehen.
    Alle waren so aufgeregt wegen des Balls, dass fast niemand Jasmine Ashton erwähnte. Ihre Ermordung lag erst ein paar Tage zurück, aber es war, als wäre nie etwas geschehen. Alle schienen die Walküre bereits vergessen zu haben, obwohl sie das beliebteste Mädchen der Klasse gewesen war.
    Das machte mich gleichzeitig traurig und wütend. Besonders da es mich einfach nicht losließ. Ich schaffte es immer noch nicht, Jasmines Anblick in dieser Nacht zu vergessen. Die Art, wie ihre blauen Augen mich angestarrt hatten, als bettelten sie um Hilfe.
    Ich musste einfach immer wieder daran denken, wie sie in dieser riesigen Blutlache gelegen hatte.
    Die Zeit fürs Mittagessen kam. Ich holte mir meinen üblichen Salat mit Hühnerbruststreifen, dazu eine Flasche herben Apfelsaft und ein deprimierend kleines Stück schokoüberzogenen Käsekuchen. Ehrlich. Der cremige Teil war nicht mal so breit wie zwei meiner Finger. Ich lud alles auf ein Glastablett und zog mich an einen leeren Tisch in der ruhigsten, abgelegensten Ecke des Speisesaals zurück.
    Ich ignorierte den Salat und all sein hübsch geschnitztes Gemüse, öffnete den Apfelsaft und trank ihn in einem Schluck halb aus. Das fiel mir nicht schwer, da die Getränke in fast ebenso kleinen Portionen ausgegeben wurden wie die Desserts. Ich beäugte die winzige Flasche und wünschte mir, ich hätte einfach zwei davon mitgenommen, wie ich es ursprünglich vorgehabt hatte, statt …
    Mir gegenüber landete ein Tablett auf dem Tisch, sodass ich überrascht aufschreckte und fast meinen Saft hätte fallen lassen.
    Daphne Cruz wuchtete ihre riesige Tasche auf den Tisch, sodass sie halb über dem Mythologiebuch lag, das ich eigentlich beim Mittagessen lesen wollte. Aber das war noch nicht das Seltsamste, was Daphne tat. Sie setzte sich tatsächlich zu mir an den Tisch.
    Als … als wären wir befreundet oder irgendwas.
    Ich beäugte die Walküre und fragte mich, ob sie vielleicht besessen war oder etwas in der Art. Vielleicht hatte ja jemand ihr Blut in die Schale der Tränen geträufelt und sie zu einer willigen Sklavin gemacht …
    »Aha«, sagte die Walküre und schraubte den Deckel von ihrer Perrier-Flasche. »Hier isst du also zu Mittag. Hier ganz weit hinten. Was bist du? Ein Vampir, der Angst vor dem Sonnenlicht hat oder so?«
    Vampire? Waren Vampire auch real? Ich dachte einen Moment darüber nach, aber ich wollte nicht dumm dastehen, indem ich fragte, besonders da ich noch nicht mal wusste, was Daphne überhaupt hier

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