Frostkuss
Himmel! Die Walküre war ein wenig sprunghaft. Daran musste ich denken: Daphne nicht sauer machen, sonst reißt sie einem das Herz aus der Brust.
Die Walküre trommelte mit den Fingern auf der Gabel herum, und pinkfarbene Funken blitzten und funkelten in der Luft, wie es immer passierte, wenn ihre Nägel gegen etwas stießen.
»Warum machen deine Finger das?«, fragte ich. »Warum die rosafarbenen Funken überall?«
Daphne zuckte mit den Schultern. »Das ist so ein Walkürending. Es gehört einfach zu unserer Magie.«
»Magie? Welche Art von Magie?«
»Du weißt doch, dass alle Walküren stark sind, oder?«
Ich nickte. »Stark« war ein wenig untertrieben, wenn man einem Kerl mit bloßen Händen den Kopf abreißen konnte.
»Na ja, Walküren haben auch noch andere Magie, eine andere besondere Gabe oder Fähigkeit. Gewöhnlich entwickelt sich diese Gabe, was auch immer es ist, erst, wenn man schon sechzehn oder siebzehn ist. Meine Magie ist noch nicht gereift, also weiß ich nicht, was für eine Art von Magie es wird. Aber manche Walküren sind Heiler, während andere verstärkte Sinneswahrnehmungen haben. Einige können Zauber wirken und Dinge geschehen lassen, während andere das Wetter kontrollieren oder mit bloßen Händen Feuer erschaffen können. Manche Walküren können sogar Illusionen erzeugen.«
Dieser Gedanke stieß etwas in meinem Hirn an. »Illusionen? Was für Illusionen?«
Wieder zuckte Daphne mit den Schultern. »Alles Mögliche. Sieh es mal so. Du berührst Dinge und siehst etwas, richtig? Wann immer ich etwas berühre, sprühen eben Funken aus meinen Fingerspitzen. So ist es einfach bei Walküren. Die Funken sind nur Farbtupfer wie kleine Lichtblitze, und sie verblassen fast sofort wie ein Regenbogen. Sie können niemanden verletzen oder irgendwas. Im Grunde sind meine Finger ein bisschen wie Wunderkerzen.«
Okay, dann war das einfach eine magische Eigenart. Wie bei Logan Quinn, dem Spartaner, der nur eine Waffe anfassen musste und sofort wusste, wie er damit Leute umbringen konnte. Trotzdem gab es noch etwas, das mich interessierte.
»Warum Rosa?«, fragte ich und dachte an die grünen Funken, die Morgan produziert hatte, als sie und Samson gestern im Innenhof ihr nachmittägliches Stelldichein genossen hatten. »Warum nicht Blau oder Silber oder irgendeine andere Farbe? Rosa erscheint mir irgendwie seltsam. So … mädchenhaft.«
»Es hat etwas mit unseren Auren zu tun«, antwortete Daphne. »Die Farbe der Funken ist an unsere Gefühle und Persönlichkeiten gebunden. Und je tiefer wir fühlen oder je mehr wir uns aufregen, desto mehr Funken entstehen.«
Ich zog die Augenbrauen hoch und fragte mich, was für ein Mensch wohl eine prinzessinenrosafarbene Aura hatte. Daphne sah die Frage in meinen Augen.
»Ich mag Rosa«, erklärte sie abwehrend. »Ich finde es cool.«
»Sicher, sicher ist es das«, stimmte ich hastig zu.
Hmpf. Jedes zweite Wort, das ich sagte, schien die Walküre zu kränken. Es war so lange her, dass ich eine Freundin gehabt oder mich auch nur länger mit jemandem außer Grandma Frost unterhalten hatte, dass ich nicht mehr wusste, wie man sich benahm. Sicher, in meiner alten Schule hatte ich Freunde gehabt, aber nach dem Tod meiner Mom hatte ich sie alle weggestoßen. Ich hatte mich nicht mehr bei ihnen gemeldet, seit ich nach Mythos ging, und sie hatten nicht versucht, mich zu erreichen. Wir mussten eben alle mit unserem Leben weitermachen.
Vielleicht fühlte ich mich deswegen so unsicher, weil ich mir Sorgen machte, dass man auf der Akademie anders Freunde fand. Schließlich war hier alles so seltsam und anders. Ich meine, Daphne würde doch nicht verlangen, dass ich ihr Blut trank oder irgendwas? Denn das würde ich auf keinen Fall tun. Freundin oder nicht.
Danach wurde es ein wenig besser, hauptsächlich, weil ich Daphne nach Carson fragte und danach, worüber sie gestern am Telefon gesprochen hatten. Das Gesicht der Walküre fing an zu leuchten, und weitere rosafarbene Funken sprühten um ihre Fingerspitzen. Sie war Carson völlig verfallen, und es schien ihr nichts mehr auszumachen, das auch zuzugeben. Allerdings aß sie auch mit mir zu Mittag, dem Gypsymädchen und größten Außenseiter von Mythos. Mit Carson gesehen zu werden war im Vergleich dazu einfach phantastisch.
»Eigentlich bin ich rübergekommen, um dich etwas zu fragen«, sagte Daphne, und plötzlich klang ihre Stimme scheu. »Ich habe mich gefragt, ob, ähm, du vielleicht vor dem Ball heute Abend
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