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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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viel schärfer. Es fühlte sich fast an, als würden sich ununterbrochen Finger in meine Jacke, den Schal und die Mütze graben. Ich mummelte mich so warm ein wie nur möglich, trotzdem gelang es mir nicht, die Kälte davon abzuhalten, in meine Kleidung, Stiefel und sogar in meine Socken zu kriechen.
    Und dann war da noch der Schnee.
    Mit jeder Minute wurde der Schneefall dichter. Wir waren noch nicht mal eine Stunde unterwegs, und auf dem Boden lagen bereits gute fünfzehn Zentimeter Neuschnee. Ich konnte den Weg nur deswegen noch erkennen, weil er der einzige Teil des Berges war, auf dem keine Bäume standen.
    Logan sprach nicht und ich ebenso wenig. Wir wollten keinen Atem und keine Energie verschwenden. Und während wir uns den Weg über den steilen Hang bahnten, suchte ich im Wald rechts und links vom Pfad nach einem Unterschlupf für die Nacht. Nur eineinhalb Meter links von mir fiel der Hang fast senkrecht ab. Auf dieser Seite hatten wir keine Chance. Eineinhalb Meter rechts von mir zog sich eine dichte Reihe Kiefern am Pfad entlang, und ich hatte keine Ahnung, wie lang wir durch den Wald würden laufen müssen, um eine Höhle zu finden – wenn es denn überhaupt Höhlen gab. Sehen konnte ich nur Schnee, Felsen und Bäume. Also gingen wir weiter.
    Wir waren vielleicht drei Kilometer weit gekommen, als ich bemerkte, dass Logan nicht länger mit mir Schritt hielt. Er hatte immer einen gewissen Abstand zu mir eingehalten, doch inzwischen konnte ich hinter mir nicht mal mehr seine Schritte im Schnee hören. Ich drehte mich um und stellte fest, dass er gute fünfzehn Meter hinter mir über den Weg stolperte, als wäre er betrunken. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass Logans schwarzer Skianzug einen nass glänzenden Fleck aufwies – direkt an der Stelle, wo der Schwarze Rock ihn mit dem Schnabel erwischt hatte. Mir wurde fast schlecht, weil sich mir die Vermutung aufdrängte, dass Logan schlimmer verletzt war, als er zugegeben hatte – ein Verdacht, der eine Sekunde später bestätigt wurde, als ich das Blut sah, das von seinen Fingern auf den Boden tropfte.
    »Logan?«
    »Tut mir leid«, sagte er, während er mit vor Schmerzen bleichem Gesicht auf mich zustolperte. »Ich glaube nicht … dass ich noch … weiter … laufen kann …«
    Damit sank er auf den schneebedeckten Waldboden.

»Logan!«
    Ich rannte zu dem Spartaner und ließ mich neben ihm auf die Knie fallen. Er lächelte zu mir auf, doch ich hatte nur Augen für seine Wunde. Vorsichtig hob ich Logans Hand und schob seinen zerfetzten Skianzug und die Kleidung darunter zur Seite, um mir die Verletzung genauer anzusehen. Der Rock hatte ihm eine klaffende, tiefe Risswunde in der linken Seite zugefügt – aus der immer noch Blut floss.
    »Warum hast du nichts gesagt?«, fragte ich.
    »Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst«, keuchte er. »Ich wollte mich von Daphne heilen lassen, sobald wir die Ruinen verlassen hatten.«
    Daphne war nicht hier – aber ich schon. Ich mochte ja nicht ihre Heilmagie besitzen, aber ich hatte in Mythos durchaus etwas Wissen über Erste Hilfe aufgeschnappt. Das war noch etwas, das Trainer Ajax uns neben Kampftechniken im Sportunterricht einbläute. Ich warf meinen Rucksack ab, öffnete ihn und grub mich durch seinen Inhalt, bis ich die zwei zusätzlichen grauen Rollkragenpullis fand, die ich eingepackt hatte. Mit Vics Klinge zerschnitt ich die Pullover und legte ein paar quadratische Stoffstücke über die Wunde. Dann schnitt ich den Rest der Kleidungsstücke in Streifen und umwickelte damit Logans gesamte Hüfte, um das Ganze dann so eng zu verschnüren, wie ich nur konnte. Ich bemühte mich, nicht darauf zu achten, wie schnell das Blut den Verband durchnässte, während ich Logan dabei half, seine Kleidung und den Skianzug wieder zurechtzurücken.
    »Du musst mich zurücklassen«, sagte er leise.
    Ich schüttelte den Kopf. »Denk nicht mal dran. Wir halten zusammen, erinnerst du dich? Das ist unsere beste Chance, von diesem Riesenfelsen herunterzukommen. Das ist sogar unsere einzige Chance. So war es, und so wird es bleiben.«
    Logan schenkte mir dieses schiefe Lächeln, das immer dafür sorgte, dass mein Herz dahinschmolz. »Das habe ich vermisst.«
    »Was?«
    »Deine Entschlossenheit«, sagte er. »Meine scheine ich in dem Moment verloren zu haben, als Agrona dieses verdammte Halsband aus Apate-Juwelen um meinen Hals gelegt hat.«
    Er rieb sich die Kehle, als könnte er den Druck des goldenen Ringes mit den

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