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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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glitzernden Juwelen immer noch spüren. Schmerz und finstere Erinnerungen verdunkelten seinen Blick.
    »Nun, ich bin entschlossen genug für uns beide«, erklärte ich. »Und ich bin entschlossen, uns beide von diesem Berg runterzubringen – und zwar lebend. Du willst mich doch wohl nicht als Lügnerin dastehen lassen, oder?«
    Logan sah mich an. Nach einem Moment erschien wieder dieses sanfte Lächeln auf seinem Gesicht. »Nein, das will ich auf keinen Fall.«
    »Na also. Dann auf die Beine mit dir. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«
    Ich schaffte es, ihn wieder auf die Füße zu ziehen, auch wenn er noch schlimmer stolperte als vorher. Doch dagegen konnte ich nichts tun – ich konnte überhaupt nichts tun, außer immer weiterzugehen.
    Also schob ich einen Arm unter Logans Schulter, um ihm so gut wie möglich zu helfen, dann stolperten wir gemeinsam in den Sturm.
    Ich schaffte es, Logan noch einen weiteren Kilometer halb zu ziehen, halb zu tragen, bevor er bewusstlos wurde. Im einen Moment stolperte er noch so gut wie möglich neben mir her. Im nächsten lag er mit dem Gesicht nach unten im Schnee.
    »Logan? Logan!«
    Ich drehte ihn um und rüttelte an seiner Schulter, doch er reagierte nicht. Dann beugte ich mich vor und hielt mein Ohr an seinen Mund. Sein warmer Atem glitt über meine Haut, und seine Brust hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus.
    Ich sackte erleichtert in mich zusammen. Er atmete noch. Er lebte noch.
    Doch für wie lange? Inzwischen war es sogar noch kälter geworden, und der Wind heulte wie ein hungriges Rudel Fenriswölfe. Außerdem hatte ich noch keine Stelle entdeckt, an der wir vor dem Sturm in Deckung gehen konnten. Am liebsten hätte ich heulend mit den Fäusten auf all die dämlichen Felsen und Bäume um uns herum eingeschlagen. Ich hätte es getan, hätte ich nicht genau gewusst, dass meine Knöchel zu bluten anfangen und die Tränen in meinem Gesicht gefrieren würden, um so mein Leid noch zu vertiefen.
    »Was willst du jetzt tun?«, unterbrach eine Stimme meine Gedanken. »Denn der Spartaner ist so ziemlich erledigt.«
    Ich sah auf Vic hinunter, der immer noch bequem in seiner Scheide an meiner Hüfte hing. Ich hatte mich so darauf konzentriert, vom Berg abzusteigen, dass ich das Schwert fast vergessen hatte. Im Moment spähte Vic auf Logan hinab, und sein purpurnes Auge leuchtete vor dem Weiß des Schnees.
    Ich wusste, was Logan gesagt hätte, wäre er noch bei Bewusstsein gewesen – dass ich ihn zurücklassen sollte. Dass er den Abstieg auf keinen Fall bewältigen konnte und dass ich mich selbst retten sollte. Doch egal was Logan sagte, ich würde ihn nicht hier in der Kälte liegen lassen. Er würde erfrieren – oder an seiner Wunde verbluten. Nein, ich musste in Bewegung bleiben, und ich musste einen Weg finden, wie ich Logan mitnehmen konnte.
    »Gwen?«, fragte Vic wieder. »Du musst eine Entscheidung treffen – und zwar schnell.«
    »Ich werde ihn retten – und uns auch.«
    Wieder öffnete ich meinen Rucksack und grub mich durch seinen Inhalt, in der Hoffnung, dass irgendein Gegenstand darin mich darauf brachte, wie ich uns vom Berg schaffen konnte.
    Streichhölzer, zusätzliche Kleidung, ein paar Comics, mein Handy, eine Taschenlampe, Studentenfutter, eine Flasche Wasser. Wichtige Ausrüstungsgegenstände, aber nichts, was mir im Moment weiterhalf. Ich wollte den Rucksack gerade wieder schließen, als mir dünne, zerbrechliche Stränge ganz unten in meinem Gepäck auffielen – Rans Netz.
    Verzweifelt zog ich das Netz heraus und hielt es hoch. Dünne Fäden aus grauem Seegras, die durch eine Reihe winziger, zerbrechlicher Knoten miteinander verknüpft waren. Das Netz wirkte sogar noch kleiner als in meiner Erinnerung. Ich wollte es gerade zusammenknüllen und zurück in meinen Rucksack stopfen, als mir einfiel, was auf der Beschreibungskarte über das Netz gestanden hatte – und was das Netz angeblich konnte.
    Von diesem Netz wird angenommen, dass es Ran, der nordischen Göttin der Stürme, gehörte. Angeblich war es ihr Lieblingsstück unter den Angelgeräten. Trotz seines zerbrechlichen Aussehens ist das Netz sehr stark und kann mehr halten, als es angesichts seiner relativ geringen Ausmaße eigentlich sollte. Der geflochtene Seetang selbst soll die Eigenschaft besitzen, alles, was sich innerhalb des Netzes befindet, leichter erscheinen zu lassen, als es tatsächlich ist.
    Ich sah erst das Netz an, dann auf Logan hinunter – und endlich

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