Frostnacht
wegwolltest … aber es hat trotzdem wehgetan. Und das Wissen, dass du in dem Moment verschwinden wirst, in dem wir wieder an der Akademie ankommen und es Nickamedes gut geht, tut immer noch weh.«
Logan sagte nichts. Ich stand auf und wandte ihm den Rücken zu, damit er nicht sah, wie ich mir die Tränen aus den Augen wischte. Als ich damit fertig war, fiel mir auf, dass ich Licht im Höhleneingang sehen konnte – echtes Tageslicht und nicht das Licht der Traumwelt, in die mich Nike gebracht hatte, um Eir zu treffen.
Ich holte tief Luft, schob das Kinn vor und wandte mich wieder Logan zu. Denn sosehr ich mir wünschte, mich einfach in einer Ecke zusammenzurollen und zu weinen, wir mussten immer noch vom Berg absteigen, um die Ambrosia-Blüte rechtzeitig zu Nickamedes zu bringen.
»Es ist hell draußen«, erklärte ich matt. »Wir sollten uns in Bewegung setzen. Ajax und die anderen werden wahrscheinlich bald nach uns suchen.«
Logan nickte. Ohne uns anzusehen, machten wir uns bereit für den Aufbruch.
Ich griff mir meinen Rucksack, rollte den Schlafsack zusammen, packte ihn weg und warf mir das Gepäck auf den Rücken. Dann ging ich zu der Wand, an die ich Vic gestern gelehnt hatte. Das Schwert gähnte, bis sein Kiefer knackte, dann musterte es mich aus einem müden purpurnen Auge.
»Gut«, sagte er. »Du bist auf. Das bedeutet, dass ich endlich auch etwas schlafen kann. Weck mich auf keinen Fall, außer es gibt jemanden zu töten.«
Noch bevor ich ein Wort sagen konnte, klappte sein Auge zu. Weniger als eine Minute später fing Vic an zu schnarchen und im Schlaf zu reden.
»Verdammte Schnitter …«, murmelte er. »Ich werde sie alle umbringen …«
Vic reagierte nicht, als ich ihn hochhob und mir seine Scheide um die Hüfte band.
Damit gab es nichts mehr zu tun, als mich wieder umzudrehen und mich Logan zu stellen. Er hatte sich auf die Füße gekämpft, auch wenn er etwas unsicher wirkte und immer noch eine Hand an seine Wunde drückte. Doch der Spartaner schien ein wenig kräftiger zu sein als gestern. Ich trank einen Schluck Wasser aus der Flasche aus meinem Rucksack, dann gab ich sie ihm. Er leerte das Wasser in einem einzigen großen Schluck. Außerdem bot ich ihm die letzte Tüte Studentenfutter an, doch er schüttelte den Kopf, weil er es nicht wollte. Ich konnte allerdings auch nichts essen, also stopfte ich die Tüte in eine Tasche meines Skianzugs.
»Kannst du laufen?«, fragte ich. »Soll ich mir deine Wunde noch mal anschauen?«
Logan schüttelte den Kopf. »Mit deiner Hilfe kann ich es schaffen. Ich denke, wir sollten den Verband in Ruhe lassen. Sonst könnte die Wunde wieder anfangen zu bluten.«
Ich nickte, trat vor und schob einen Arm unter seine Schulter. Schweigend und langsam gingen wir nach draußen, während Logan sich auf mich stützte.
Als wir aus der Höhle traten, traf uns die Kälte wie ein Schlag im Gesicht, und die eisigen Temperaturen durchdrangen sofort meine gesamte Kleidung.
Doch am schlimmsten war der Schnee.
Über Nacht war fast ein halber Meter davon gefallen – dicker, schwerer, feuchter Schnee, der selbst einem unverletzten Menschen das Laufen schwer machte. Ganz zu schweigen davon, dass wir uns tief im Wald befanden und ich keine Ahnung hatte, wo von hier aus gesehen der Weg lag – oder wie ich ihn finden sollte.
»In welche Richtung liegt der Pfad?«, fragte Logan und fasste damit meine Gedanken in Worte.
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht können uns die Greifen zurückführen.«
Unsere Bewegungen in der Höhle hatten die Greifen geweckt. Sie waren uns kreischend und gähnend nach draußen gefolgt, wo sie sich streckten, um die letzte Verschlafenheit abzuschütteln. Logan lehnte sich mit meiner Hilfe gegen die Wand vor der Höhle, während ich mich auf die Suche nach dem Anführer der Greifen machte. Er stand mit den anderen in meiner Nähe, das Baby sicher an seiner Seite.
Ich sah den erwachsenen Greif an und fragte mich, ob er wirklich vorhin mit Eir auf der Lichtung gewesen war. Ich war mir nicht sicher.
Also räusperte ich mich. »Ähm, ich habe mich gefragt, wie mein Freund und ich zum Weg zurückkommen sollen. Du weißt schon, damit wir vom Berg absteigen können.«
Der Greif legte den Kopf schief, als hätte er nicht verstanden, was ich gefragt hatte. Also marschierte ich mit schwingenden Armen auf der Stelle, um ihm zu zeigen, was ich wollte. Der Greif starrte mich noch einen Moment an, dann sank er vor mir im Schnee auf den Bauch. Er
Weitere Kostenlose Bücher