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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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kreischte, öffnete die Flügel weit und bewegte sie leicht, bevor er einen kleinen Sprung machte, als wollte er abheben. Das wiederholte er ein ums andere Mal, doch ich verstand ihn kein bisschen besser als er mich. Ich sah zu Logan, aber auch der Spartaner zuckte nur mit den Achseln.
    »Schau mich nicht an«, meinte er. »Ich spreche kein Greifisch.«
    »Oh, es ist doch so verdammt offensichtlich«, murrte Vic. »Er will, dass ihr ihn reitet.«
    Ich sah auf das Schwert hinab. »Ich dachte, du wolltest schlafen.«
    »Es ist ziemlich schwer zu schlafen, wenn hier ständig so rumgekreischt wird«, meckerte Vic. »Anscheinend muss ich nicht nur Wache stehen, sondern auch für dich übersetzen. Meine Arbeit findet einfach nie ein Ende.«
    Ich ignorierte das Murren des Schwertes und wandte mich wieder an den Greif. »Du willst wirklich, dass wir dich … reiten?«
    Er nickte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich halte das für keine so gute Idee.«
    Der Greif verengte die bronzefarbenen Augen zu Schlitzen und kreischte wieder. Er würde kein Nein als Antwort akzeptieren. Außerdem hatten wir eigentlich auch keine andere Wahl. Nicht wenn wir diesen Berg schnell genug verlassen wollten, um Nickamedes die Ambrosia-Blüte rechtzeitig zu bringen.
    »Komm schon, Gypsymädchen«, drängte Logan mit einem Grinsen. »Das macht sicher Spaß.«
    Ich seufzte, während ich darüber nachdachte, dass seine und meine Definition von »Spaß« sich offensichtlich deutlich unterschieden.
    Ich half Logan auf den breiten Rücken des Greifs; danach stieg ich vor ihm auf. Außerdem zog ich Rans Netz aus meinem Rucksack und benutzte es, um damit Logan, Vic und mich an der Kreatur festzubinden – weil ich wirklich, wirklich nicht runterfallen wollte. Zudem hoffte ich, dass das Netz uns leichter machen würde. Ich hatte schon gesehen, wie Schwarze Rocks mehr als einen Reiter trugen, und der Greif war sicherlich genauso stark, aber schaden konnte es auf keinen Fall.
    Der Greif schien sich darüber zu amüsieren, dass ich das Netz wieder und wieder um unsere Körper wickelte. Er schnaubte leise und es wirkte, als lachte er mich aus.
    »Was?«, murmelte ich. »Nur für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast, du bist der Einzige hier mit Flügeln. Logan und ich können nicht fliegen. Wenn wir runterfallen, bleibt uns auf dem Weg nach unten wahrscheinlich nicht mal genug Zeit für einen Schrei.«
    Der Greif schnaubte noch einmal amüsiert.
    Schließlich, als ich so bereit war, wie ich eben sein konnte, legte ich die Hand sanft auf den Kopf des Greifs und strich ihm über das bronzefarbene Fell.
    »Bitte bring uns zurück«, sagte ich.
    Der Greif stieß einen lauten, wilden Schrei aus und warf sich in die Luft. Innerhalb weniger Sekunden schossen wir gute hundert Meter hoch in den Himmel. Ich klammerte mich an Rans Netz fest und spürte, wie Logans Arm um meine Hüfte glitt.
    »Ruhig«, murmelte er mir ins Ohr. »Wenn Vivian und Agrona das können, dann können wir es auch. Der Greif wird uns nicht fallen lassen. Also entspann dich einfach und genieß den Ritt.«
    Es dauerte ein paar Minuten, bis ich es schaffte, meine Finger und meine Kiefermuskeln genug zu entspannen, um der Aufforderung des Spartaners zu folgen. Der Greif flog nicht allzu schnell. Mit weit ausgebreiteten Flügeln segelte er auf den Luftströmungen. Nach und nach genoss ich dieses luftige, schwerelose Gefühl. Es fühlte sich an, als wären wir eine Feder, die vom Wind mal hierhin und mal dorthin getragen wurde. Schließlich schaffte ich es sogar, nach unten zu sehen. Für einen Moment wünschte ich mir, ich hätte es gelassen, da Wald, Bäume und Felsen tief unter uns vorbeischossen, bis ich nur noch unscharfe Flecken Weiß, Grün und Grau sah. Doch langsam gewöhnte ich mich daran, und dann verstand ich, wie wundervoll das Gefühl war, das dieser Ritt vermittelte – als wäre ich vollkommen und absolut frei.
    Ich fragte mich, ob Vivian sich wohl so fühlte, wenn sie ihren Schwarzen Rock ritt. Ich fragte mich, ob sie wohl Glück empfand, wenn sie auf der Kreatur durch den Himmel schoss – oder ob sie es nur genoss, anderen Leuten wehzutun. Doch dann verdrängte ich die Gedanken an das Schnittermädchen, entschlossen, diese einzigartige Erfahrung zu genießen, solange sie eben andauerte.
    Die anderen Greifen schlossen sich uns in der Luft an – selbst das Baby – und formten eine Art Ehrenwache um uns herum. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihnen lachend zuwinkte, während

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