Frostnacht
starrte sie ein Foto an, das sie mit ihren Eltern zeigte. »Ich weiß.«
»Was auch immer passiert, lass nicht zu, dass es beeinflusst, wer du bist – oder wer du sein willst.«
Sie schnaubte. »Auf keinen Fall. Rachel behauptet, ich würde sowieso nie zuhören. Anscheinend gehört Starrköpfigkeit auch zu den Familieneigenschaften der Forsetis.«
»Nun, ich finde das gut«, erklärte ich. »Und wenn du je in North Carolina bist, schau mal vorbei. Wir haben auch bei uns jede Menge Schnitter, gegen die man kämpfen kann.«
Rory grinste mich an. »Könnte dir passieren, dass ich dieses Angebot wirklich annehme, Prinzessin.«
Ich erwiderte ihr Grinsen. »Ich hoffe es. Ich hoffe es wirklich.«
Rachel beendete ihr Telefonat, und zu dritt traten wir nach draußen. Meine Freunde warteten bereits auf der Veranda. Rachel und Rory begleiteten uns noch über den Campus, durch Snowline Ridge und bis zum Bahnhof.
Zwanzig Minuten später drückten meine Freunde und ich unsere Gesichter gegen die Scheiben und winkten Rory und Rachel zum Abschied. Doch schon nach kurzer Zeit fuhr der Zug an und sie verschwanden außer Sicht. Sicher, offensichtlich lauerten überall Schnitter, aber ich hatte in den letzten Tagen auch neue Verbündete gefunden – neue Freunde. Das sorgte dafür, dass ich mich besser fühlte. Vielleicht konnte ich die ganzen Missionen, die Nike mir übertragen hatte, tatsächlich bewältigen. Artefakte finden. Loki töten. Die Welt retten.
Wir schafften es ohne weitere Vorfälle vom Berg nach unten, und schon eine Stunde später standen wir am Flughafen in Denver und machten uns bereit, das Flugzeug nach North Carolina zu besteigen. Während die anderen das Gepäck an Bord trugen, winkte Logan mich zu sich. Gemeinsam entfernten wir uns ein wenig von den anderen.
Er zögerte. »Ich würde gerne mit zur Akademie fliegen, wenn das für dich in Ordnung ist. Ich will sicher sein, dass es Nickamedes gut geht.«
»Natürlich«, antwortete ich. »Er ist dein Onkel. Ich bin davon ausgegangen, dass du mit uns zurückfliegen würdest.«
»Es ist nur … nach dem, was du in der Höhle der Greifen gesagt hast, war ich mir nicht mehr sicher, ob du mich dabeihaben willst oder nicht.«
Wir waren so damit beschäftigt gewesen, die Akademie zu erreichen, unsere Sachen zu packen und zum Flughafen zu eilen, dass Logan und ich uns seit unserem Streit nicht mehr richtig unterhalten hatten. Er mochte ja wieder mit uns reisen, aber im Zug hatte er Abstand zu mir gehalten und sich stattdessen zu Oliver, Alexei und Carson gesetzt. Offensichtlich traute er sich selbst immer noch nicht ganz, wenn es um mich ging. Und ich hatte keine Ahnung, was ich sagen oder tun sollte, um das zu ändern. Alle hatten mir erklärt, dass Logan Zeit brauchte. Das wusste ich – wirklich –, aber es tat trotzdem weh.
»Gypsymädchen?«, fragte er und unterbrach damit meine Gedanken.
»Natürlich möchte ich, dass du mitkommst«, beantwortete ich endlich seine Frage. »Ich habe nie etwas anderes behauptet.«
Ich möchte nur nicht, dass du wieder verschwindest und mir das Herz brichst.
Das wollte ich ihm eigentlich sagen, doch ich hielt den Mund. Ich mochte ja wütend und verletzt sein, aber ich wollte Logans Schuldgefühle nicht noch verstärken. Er litt schon genug.
Er öffnete den Mund, doch in diesem Moment schob Ajax den Kopf aus der Flugzeugtür.
»Kommt schon, ihr beide«, meinte der Trainer. »Wir müssen so schnell wie möglich abheben.«
Logan zögerte wieder, dann deutete er auf die Treppe. »Nach dir.«
Ich stieg die Stufen hinauf und setzte mich neben Daphne, während Logan an mir vorbeiging und neben Oliver Platz nahm. Wieder hielt er Abstand.
Ich konnte Logans Blick fühlen, doch ich senkte den Kopf und tat so, als würde ich in meiner Umhängetasche nach etwas suchen, damit er nicht bemerkte, wie ich blinzelnd gegen die Tränen ankämpfte, die in meinen Augen brannten.
Ich hatte Logan nicht gefragt, was er tun würde, sobald wir wieder an der Akademie waren und Nickamedes die Ambrosia-Blüte gegeben hatten. Das musste ich nicht, weil ich die Antwort bereits kannte.
Logan hatte vor, die Akademie wieder zu verlassen – mich wieder zu verlassen.
Am späten Nachmittag landeten wir schließlich in North Carolina. Die anderen hatten es geschafft, im Flugzeug zu schlafen, doch ich konnte das einfach nicht. Oh, ich machte mir keine Sorgen wegen weiterer Albträume. Nicht im Moment, während ich mit Bestimmtheit wusste, dass Logan
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