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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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am häufigsten werden die Blätter und Wurzeln der Pflanze getrocknet, um sie dann zu einem feinen weißen Pulver zu zerstoßen, das sich einfach verwenden lässt.
    Ich sah mir die linke Seite und das Bild der kleinen, grünen Pflanze an, die einer winzigen Kiefer ähnelte, bei der sowohl Blätter als auch Nadeln aus einem dünnen, braunen Stängel wuchsen. Sie wirkte harmlos, aber laut der Beschreibung war sie das nicht. Ich schlug das Buch zu, ließ den Wagen einfach stehen und rannte zurück zu den Studiertischen.
    Inzwischen hatte sich ein Großteil der Protektoratswachen in der Bibliothek versammelt. Ich drängte mich zwischen ihnen hindurch zu Metis, die immer noch neben Nickamedes stand.
    »Hier«, sagte ich und drückte ihr das Buch in die Hand. »Das haben sie verwendet, um Nickamedes zu vergiften – Saftselket.«
    Metis musterte mich mit scharfem Blick. »Bist du dir sicher?«
    Ich nickte. »Das ist das Buch, das der Schnitterjunge sich angesehen hat. Das ist das Gift, das er benutzt hat. Das muss es einfach sein. Schauen Sie sich das Bild in der Mitte an.«
    Metis öffnete das Buch auf der entsprechenden Seite, und ich zeigte auf die Zeichnung und den unterstrichenen Absatz. Dabei berührten sich für einen Moment unsere Finger. Sofort schaltete sich meine Psychometrie ein, ich spürte Metis’ Sorge um Nickamedes – und noch etwas, das ich nie erwartet hätte.
    Ich erstarrte, während ich mich fragte, ob ich mir nur etwas einbildete. Doch da spürte ich die Gefühle wieder, diesmal sogar stärker als zuvor. Metis’ schreckliche Angst davor, dass sie Nickamedes nicht würde retten können, gepaart mit einer warmen, sanften, sprudelnden Emotion, die nur eines bedeuten konnte – Liebe.
    Metis war in Nickamedes verliebt? Ich zog die Hand zurück. Die Professorin nickte und schloss das Buch. Ihr schien nicht klar zu sein, dass ich sie geblitzt – und was ich dabei aufgefangen hatte.
    »In Ordnung. Danke, Gwen. Jetzt können wir weitersehen.«
    Ajax nickte, und mehrere der Protektoratswachen traten vor. Sie halfen Ajax dabei, Nickamedes auf eine flache Plastiktrage zu legen, wie sie von Sanitätern benutzt wird, und ihn darauf festzuschnallen. Dann hoben sie die Trage auf ihre Schultern, als transportierten sie irgendeinen König aus grauer Vorzeit. Einen Moment später verließen die Wachen die Bibliothek und nahmen Nickamedes mit.
    Und ich konnte nur dastehen, ihnen hinterhersehen und hoffen, dass er gesund werden würde.

»Was dauert da so lange?«, knurrte ich. »Das geht schon seit Stunden .«
    »Eigentlich warten wir erst seit ungefähr neunzig Minuten«, erklärte Carson.
    Ich starrte ihn böse an. Der Kelte verzog das Gesicht und sank etwas tiefer in seinen Stuhl.
    Daphne verdrehte die Augen. »Ignorier sie, Carson. Sie ist im Moment einfach ein wenig durchgeknallt. Na ja, noch durchgeknallter als gewöhnlich. Es dauert so lange, wie es eben dauert, Gwen. Wenn du weiter so auf und ab tigerst, wirst du nur müde.«
    »Ich tigere nicht«, murmelte ich.
    »O doch, tust du«, warf Oliver ein. »Und zwar schon seit wir hier angekommen sind.«
    Hier war das Wartezimmer der Schul-Krankenstation, die in einem viereckigen, dreistöckigen Gebäude in der Nähe meines Wohnheimes untergebracht war. Ich hatte erwartet, die Krankenstation unten im mathematisch-naturwissenschaftlichen Gebäude zu finden, neben der Leichenhalle und dem Gefängnis, doch meine Freunde hatten mich stattdessen hierhergeführt.
    Ich hatte diesem Gebäude bis jetzt keine große Beachtung geschenkt, da es aus demselben dunklen Stein bestand wie fast alles andere in Mythos auch. Doch es strahlte eine angenehme, beruhigende Atmosphäre aus, zumindest innen. Der weiße Marmorboden war von dünnen blauen Streifen durchzogen wie Adern auf menschlicher Haut. Oder vielleicht reflektierte der Stein auch nur die hellblaue Farbe der Wände. In jeder Wand öffneten sich mehrere Fenster, und in die Decke im obersten Stock waren mehrere Oberlichter eingelassen.
    Ein langer Empfangsschalter zog sich durch den hinteren Teil des Raums. Eine große Doppeltür dahinter führte zu den Krankenzimmern. Anscheinend gehörte die Besetzung der Krankenstation zu Ravens vielen Jobs. Sie hatte bereits hinter dem Schreibtisch gesessen, als wir angekommen waren, ihre schwarzen Stiefel auf dem glatten Holz. Sie hatte mich und meine Freunde kurz angesehen, bevor sie sich wieder ihrem Magazin zugewandt hatte. Ab und zu blätterte sie um, aber davon abgesehen war sie

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