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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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helfen, fiel mir nicht ein. Ich arbeitete jetzt seit Monaten in der Bibliothek der Altertümer. Sicherlich mussten diese langen Stunden voll mit Recherche, Bücher einräumen und Artefakt-Vitrinen abstauben für irgendetwas gut sein – und ich konnte nur hoffen, dass dieses irgendetwas ausreichte, um Nickamedes zu retten.
    Es kostete Daphne nur ungefähr zehn Minuten, eine Liste mit allen Büchern mit den Wörtern Pflanzen und Gift im Titel zu erstellen. Unglücklicherweise waren es Dutzende, die im gesamten Erdgeschoss verteilt standen. Ich riss Daphnes Liste in fünf Teile und gab jedem ein Stück des Zettels. Dann schnappte sich jeder von uns einen Metallkarren und zog zwischen die Regalreihen ab.
    Ich rannte von einem Regal zum nächsten, schnappte mir alle Bücher auf meiner Liste und klatschte sie auf den Wagen. Sobald er voll war, eilte ich zurück in den Hauptraum. Carson und Oliver waren bereits da. Sie standen neben einem Studiertisch voller Bücher. Die Jungs blätterten die Bücher eines nach dem anderen durch und warfen sie zur Seite, sobald klar wurde, dass sie nicht das enthielten, wonach wir suchten. Nickamedes hätte einen Anfall bekommen, hätte er gesehen, wie beiläufig die Jungs die Bücher auf einen zweiten Studiertisch schmissen – und dass die Bände öfter auch daneben und auf den Boden fielen. Doch die Bücher würden es überleben, ein wenig unsanft behandelt zu werden – der Bibliothekar überlebte dagegen vielleicht nicht, wenn wir nicht rausfanden, welches Gift der Schnitter benutzt hatte.
    »Denkt dran«, sagte ich. »Sucht nach rot gekennzeichneten Absätzen und Eselsohren. Das habe ich in Jasons Buch gesehen.«
    Carson und Oliver nickten, dann blätterten sie weiter durch die Seiten und warfen Bücher zur Seite. Ich legte meine eigenen Bände auf den bestehenden Stapel und verzog mich wieder zwischen die Regale.
    Hin und her, von rechts nach links lief ich, so schnell ich nur konnte, durch die Bibliothek. Ab und zu erhaschte ich einen Blick auf Daphne, die mit wippendem blondem Pferdeschwanz dasselbe tat, oder auf Alexei, der sich elegant und mit im Licht der Bibliothek glänzendem dunklem Haar von einem Regal zum nächsten bewegte. Meine Freunde winkten mir kurz zu, doch keiner hielt in seiner Arbeit inne – nicht mal für eine Sekunde.
    Dafür hatten wir keine Zeit – nicht während Nickamedes’ Leben davon abhing, dass wir eine Antwort fanden.
    Ich habe keine Ahnung, wie lange ich mich durch die Regale bewegte, um mir ein Buch nach dem anderen zu schnappen. Auf jedes davon konzentrierte ich mich einen Moment, aber es waren einfach nur Nachschlagewerke. Niemand hatte eine echte emotionale Bindung dazu, was bedeutete, dass ich mit meiner Psychometrie keine besonderen Empfindungen auffing. Ich sah nur die Hunderten von Jugendlichen, die die Bände über die Jahre berührt hatten, und spürte nur ihre schreckliche Langeweile, Müdigkeit und Frustration darüber, dass sie die Bücher benutzen mussten, um ihre Hausaufgaben zu machen.
    Natürlich sorgten diese Gefühle nicht dafür, dass ich mich besser fühlte, und meine Bewegungen wurden immer fahriger, ungeschickter und verzweifelter, je mehr Sorgen ich mir um Nickamedes machte. Doch ich konnte nichts anderes tun, als in Bewegung zu bleiben und immer weiter Bücher aus den Regalen zu ziehen und sie zu blitzen.
    Endlich erreichte ich das letzte Buch auf meiner Liste. Ich fand es mühelos und schnappte es mir …
    Und ein Bild des Schnitterjungen stieg vor meinem inneren Auge auf.
    Ich war so überrascht, dass ich das Buch fast hätte fallen lassen, doch dann gelang es mir, es an die Brust zu drücken. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Sofort sah ich dieselben Bilder wie vorhin – Jason, der sich an einem der Studiertische über das Buch beugte. Das war es. Das war das Buch, das er sich angesehen hatte.
    Ich öffnete die Augen und starrte auf den Titel auf dem Einband: Heilende, medizinische und giftige Eigenschaften mythologischer Pflanzen.
    Mit zitternden Fingern öffnete ich das Buch und blätterte durch die Seiten, bis ich den Absatz fand, den Jason rot markiert hatte:
    Saftselket ist eine immergrüne Pflanze, die in der mythologischen Welt für ihr wirkungsvolles Gift bekannt ist. Sie ist nach der ägyptischen Göttin benannt, die mit Giften in Verbindung gebracht wird. Saftselket kann auf verschiedenste Weise verabreicht werden. Man kann die Pflanze auskochen, um eine dunkelgrüne Flüssigkeit herzustellen, doch

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