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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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so stumm wie immer.
    In der Mitte des Raums standen weiße Korbstühle mit dicken Kissen, zusammen mit ein paar blauen Sofas. Daphne und Carson saßen beisammen auf einem der Sofas, während Oliver und Alexei sich nebeneinander auf zwei Sesseln niedergelassen hatten. Ich hatte Vic und Nyx in mein Zimmer zurückgebracht, bevor ich mit den anderen hierhergelaufen war. Meine Freunde unterhielten sich miteinander oder simsten auf ihren Handys, aber ich tigerte weiter auf und ab.
    Doch mit jeder Runde, die ich in dem Wartezimmer zog, landete mein Blick auf den kleinen Marmorstatuen, die überall herumstanden – in Nischen in der Wand genauso wie auf den Couchtischen mit dem Lesestoff. Auch auf dem Empfangstresen direkt neben Ravens Ellbogen stand eine Statue. Die Krankenstation ähnelte dem Speisesaal in dem Punkt, dass alle Statuen ein gemeinsames Thema hatten. Statt Ernte- und Essensgöttern, die beim Essen über die Schüler wachten, waren es hier auf der Krankenstation lauter Gottheiten, die etwas mit Heilung zu tun hatten. Wie Apollo und Äskulap, zwei griechische Götter. Wie immer schienen die Statuen mich zu beobachten, aber ihre Mienen waren verschlossen und neutral, also konnte ich daran nicht ablesen, was eventuell gerade mit Nickamedes geschah.
    Ich wollte gerade die nächste Runde durch den Raum beginnen, als ein Klingeln meine Aufmerksamkeit erregte. Einen Moment später trat eine ältere Frau mit stahlgrauem Haar und warmen, freundlichen violetten Augen durch die offene Tür.
    »Grandma!« Ich warf mich in ihre Arme.
    Grandma Frost trug eine schwarze Hose mit einem weißen Pulli und Schuhe, deren Spitzen sich leicht nach oben bogen. Verschiedene Schichten aus grünen, purpurnen und grauen Tüchern lagen unter den Falten ihres Mantels. Jedes der Tücher war mit silbernen Münzen gesäumt, die fröhlich klimperten, als ich sie fest umarmte.
    Sie zog sich zurück, umfasste mein Gesicht mit den Händen, und ich fühlte, wie eine Welle der Liebe von ihr auf mich überging. Plötzlich erschien alles nicht mehr so finster und hoffnungsvoller, und ich beruhigte mich ein wenig. Als würde jetzt, da sie hier war, alles gut werden, obwohl ich natürlich wusste, dass das nicht stimmte.
    »Es ist okay, Süße«, murmelte Grandma und strich mir über das krause Haar. »Alles wird wieder gut. Wirst schon sehen.«
    Sie legte erneut die Arme um mich, und ich fühlte eine Macht in der Luft um sie herum – und diese alte, wissende, wachsame Macht schien mich gleichzeitig mit Grandma Frost zu umarmen. Wie ich war Grandma eine Gypsy, was bedeutete, dass auch sie von Nike mit Magie beschenkt worden war. In ihrem Fall hieß das, dass sie in die Zukunft sehen konnte. Ich fragte mich, ob sie gerade einen Blick in Nickamedes’ Zukunft geworfen hatte, aber als ich mich von ihr löste, um sie zu fragen, war die Macht schon verschwunden, und ihr Blick war genauso klar wie meiner. Wenn sie etwas betrachtete, das nur sie sehen konnte, waren ihre Augen leer.
    »Ich bin froh, dass du da bist«, flüsterte ich.
    Grandma tätschelte meine Hand. »Ich bin froh, hier zu sein. Und jetzt erzähl mir alles. Ajax hat mir bei seinem Anruf das Nötigste berichtet, aber ich möchte es von dir hören, Süße.«
    Ich führte sie zu einem der Sofas. Sie setzte sich, nahm wieder meine Hand, und ich erzählte ihr alles – auch dass eigentlich ich das Ziel des Giftanschlags gewesen war, nicht Nickamedes. An dieser Stelle brach meine Stimme ein wenig, aber sofort überflutete mich eine Welle von Liebe und Verständnis.
    »Das ist nicht deine Schuld, Süße«, sagte sie. »Weder was dieser Junge getan hat, noch dass Nickamedes zu Schaden gekommen ist.«
    Ich biss mir auf die Lippe und wandte den Blick ab, weil ich nicht wollte, dass sie die Schuldgefühle in meinen Augen sah – besonders wenn es um Nickamedes ging. Der Bibliothekar hatte einmal meine Mom Grace geliebt. Als ich nach Mythos gekommen war, hatte er Metis gebeten, mich zur Arbeit in der Bibliothek einzuteilen, um auf seine eigene Art auf mich aufzupassen. Ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass er das besser nicht getan hätte. Er wäre viel besser dran gewesen, wenn ich heute Abend nicht dort gewesen wäre, wenn ich die Bibliothek nie betreten hätte …
    Eine der Türen, die zur eigentlichen Krankenstation führten, öffnete sich, und Metis trat ins Wartezimmer. Wir sprangen alle gleichzeitig auf und eilten los, um sie zu umringen.
    »Was ist passiert?«
    »Haben Sie das Gift aus

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