Frostnacht
Wir sind hier, um das Gegengift zu finden.«
Ajax holte tief Luft, dann erzählte er seinem Freund alles. Wie der Schnitterjunge Nickamedes vergiftet hatte, wie wir eilig hierhergereist waren und auch von dem Angriff im Zug. Zu meiner Überraschung sagte der Trainer nicht viel zu mir und meinen Freunden. Er stellte uns Covington vor, aber nur mit den Vornamen. Ich fragte mich, ob Ajax seinem Freund wirklich vertraute – und falls nicht, warum. Allerdings waren wir alle schon von den Schnittern aufs Glatteis geführt worden. Vielleicht wollte der Trainer einfach nur besondere Vorsicht walten lassen, obwohl es dafür eigentlich schon viel zu spät war.
Als Ajax fertig war, gab Covington einen leisen Pfiff von sich. »Chloris-Ambrosia-Blüten sind nicht leicht zu bekommen.«
»Ich weiß«, antwortete der Trainer. »Deswegen müssen wir hoch zu den Eir-Ruinen – und zwar morgen.«
Covington runzelte die Stirn. »Du willst zu den Ruinen. Mit deinen … Schülern?«
Ajax nickte. »Ich weiß, was du denkst. Glaub mir, ich bin darüber informiert, wie gefährlich die Ruinen angeblich sind. Aber sie sind der einzige Ort, an dem Chloris-Ambrosia wächst, und ohne die Blüten wird Nickamedes sterben. Also, kannst du uns helfen? Bitte?«
Covington musterte seinen Freund. »Und wenn ich es nicht tue?«
Ajax erwiderte seinen Blick ruhig. »Dann machen wir uns allein auf den Weg.«
Covington starrte Ajax noch einen Moment an, dann ließ er den Blick über den Rest unserer Gruppe gleiten. Wir alle erwiderten seinen Blick und zeigten ihm unsere Entschlossenheit, auch ohne seine Hilfe zu den Ruinen aufzusteigen. Als er verstand, wie ernst uns die Sache war, nickte er.
»Okay, okay, ich werde helfen. Mach dir keine Sorgen.« Er zögerte. »Aber es wird nicht einfach. Ich kenne jemanden, der euch zu den Ruinen führen kann, und ich werde euch auch persönlich begleiten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es noch andere Professoren oder Angestellte gibt, die bereit wären, die Anstrengungen dieses Trips auf sich zu nehmen. Besonders nicht morgen.«
»Was stimmt nicht mit dem morgigen Tag?«
»Ein Sturm liegt in der Luft«, erklärte Covington. »Irgendwann in den nächsten vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden soll ein halber Meter Schnee fallen. Vielleicht sogar mehr.«
War ja klar, dass ein Schneesturm drohte. Als wäre die ganze Unternehmung nicht auch so schon gefährlich und anstrengend genug. Ich fragte mich, ob die Schnitter wohl die Wettervorhersagen im Blick gehabt und den drohenden Schneesturm mit eingerechnet hatten bei dem Entschluss, mich zu vergiften. Wahrscheinlich schon. Ich hätte es ihnen zugetraut. Das passte zu der verqueren Denkweise von Vivian und Agrona – so konnten sie uns richtig leiden lassen, während wir versuchten, das Gegengift für Nickamedes zu beschaffen.
»Nun, den Sturm werden wir riskieren müssen. Und je weniger Leute wissen, dass wir unterwegs sind, desto besser«, meinte Ajax. »Die Schnitter wissen bereits, dass wir hier sind und dass wir die Ruinen erreichen müssen, um die Ambrosia-Blüten zu holen. Wir müssen trotzdem vorsichtig sein, auch wenn wir sehenden Auges in eine Falle rennen.«
Covington nickte. »Verstanden. Ich fange sofort an, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Wir brechen morgen auf.«
Er erhob sich, und Ajax folgte seinem Beispiel. Die beiden Männer schüttelten sich die Hände. Covington nickte uns höflich zu, dann verließ er den Konferenzraum.
»Also müssen wir nicht nur zu irgendwelchen unheimlichen Ruinen aufsteigen, sondern es wird währenddessen auch noch schneien wie bescheuert? Einfach super«, meinte Daphne.
»Hast du Angst, dass dein pinker Schneeanzug leiden könnte?«, frotzelte Oliver.
Sie starrte ihn böse an. »Das Einzige, was gleich leidet, ist dein Gesicht, Spartaner. Sobald ich meine Faust hineinramme.«
Oliver zog nur eine Augenbraue hoch. »Versuch’s doch, Walküre.«
»Hört auf«, sagte ich. »Es reicht. Es ist schlimm genug, dass die Schnitter nur darauf lauern, uns wieder anzugreifen. Können wir bitte in der Zwischenzeit nicht auch noch untereinander streiten?«
Daphne richtete ihren bösen Blick auf mich, aber ich starrte nur zurück. Nach einem Moment seufzte sie.
»Okay«, sagte sie. »In Ordnung. Ich bin nur ein wenig gestresst.«
»Das sind wir alle«, erklärte Carson sanft. »Aber solange wir zusammenhalten, wird alles gut.«
Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Für einen Moment schwiegen wir, dann
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