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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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Stellen wie die Gebäude zu Hause und ähnelten ihnen von außen frappierend. Derselbe dunkle Stein, dieselbe düstere Wirkung, dieselben Statuen überall darauf verteilt.
    Doch je länger ich hinsah, desto mehr fielen mir die Unterschiede auf, die Alexei erwähnt hatte. Hier waren die Mauersteine nicht glatt geschliffen, sondern die Gebäude wirkten, als hätte man sie erbaut, indem man Felsbrocken übereinandergestapelt hatte. Die Steine selbst waren eher schwarz als grau und wurden immer wieder von Holzbalken abgelöst, die dicker waren als ich hoch. In alle Gebäude waren hohe Fenster eingelassen, wahrscheinlich um die Aussicht auf die Kiefernwälder zu ermöglichen, die sich über den Berg nach oben zogen und scheinbar mit dem felsigen Hang verschmolzen. Alles wirkte grob und roh, als wären die Gebäude der Akademie irgendwo oben von der schroffen Bergspitze abgebrochen und über den Hang hierher gerutscht.
    Plötzlich erklang Glockenläuten. Es waren hohe, klare Töne, die wie Donnerschläge über den Hof hallten und von einem Gebäude zum nächsten geworfen wurden. Eine Minute später öffneten sich die Türen zum Speisesaal, und ein Strom von Schülern ergoss sich auf den Hof.
    »Das Frühstück ist zu Ende, und alle gehen zu ihrem Vormittagsunterricht«, murmelte ich.
    »Genau«, sagte Ajax. »Kommt. Es gibt da jemanden, mit dem ich über die Vorbereitungen für unsere Bergtour morgen reden muss.«
    Der Trainer wanderte über den Hof davon, und wir reihten uns hinter ihm ein. Ich war nicht allzu überrascht, als Ajax auf die Bibliothek der Altertümer zuhielt. Eine silberne Plakette neben dem Eingang verriet mir, was sich in diesem Gebäude befand, aber ich hätte es auch so gewusst. Oh, der Grundriss war ein wenig anders. Diese Bibliothek bestand aus drei langen Flügeln, die sich in einem großen, eckigen Turm in der Mitte trafen, trotzdem war sie das größte und eindrucksvollste Gebäude am Hof.
    Die anderen stapften die Stufen hinauf, aber ich ließ mich ein weiteres Mal zurückfallen. Rechts und links der Treppe kauerten zwei Greifen. Sie wirkten genauso wild wie diejenigen zu Hause, die ich inzwischen als meine Beschützer betrachtete. Nach einem Moment erkannte ich, dass diese Greifen ein wenig kleiner waren, auch wenn dafür ihre Oberfläche rauer wirkte, als hätte sich der Schöpfer der Statuen nicht die Mühe gemacht, den Stein zu glätten und damit die Wut aus den Mienen der Greifen zu tilgen. Doch sie sahen nicht nur anders aus, sondern sie strahlten auch ein ganz anderes Gefühl aus – dieselbe intensive Wildheit, die ich überall um mich herum fühlte, seit wir das Flugzeug verlassen hatten.
    Oh, ich konnte mir gut vorstellen, dass auch diese Greifen aus ihren Steinhüllen ausbrechen würden, wenn ich sie berührte, so wie ich es denjenigen zu Hause immer unterstellt hatte. Doch ich fühlte, dass diese Kreaturen statt anzugreifen sofort die Flügel ausbreiten würden, um in den Himmel aufzusteigen und die Freiheit des weiten Horizonts zu genießen. Ich habe keine Ahnung, warum ich davon überzeugt war, aber sobald sich diese Idee in meinem Kopf festgesetzt hatte, konnte ich sie nicht mehr abschütteln. Es war fast, als könnte ich den Wind in meinem Haar spüren …
    Eine Hand schloss sich um meinen Arm, und eine Kaskade pinkfarbener Funken explodierte um mich herum, sodass meine Nase zuckte und ich ein Niesen unterdrücken musste.
    »Jetzt komm schon, Gwen«, sagte Daphne. »Hör auf, alles ewig anzustarren. Du benimmst dich, als hättest du noch nie eine andere Akademie gesehen.«
    Ich versuchte meinen Arm aus ihrem festen Griff zu lösen, aber vergeblich. Gegen ihre Walkürenstärke hatte ich keine Chance. »Du vergisst, dass du damit recht hast – ich war noch nie auf einer anderen Akademie.«
    Daphne sah sich kurz um. »Nun, ich erkenne nicht, was daran so faszinierend sein soll. Und jetzt komm. Alle anderen sind schon drin.«
    Daphne zerrte mich die Stufen hinauf, in das Gebäude, einen Flur entlang und in den Hauptraum der Bibliothek der Altertümer.
    Und wieder erfasste mich ein heftiges Déjà-vu-Gefühl – weil die Bibliothek auf unheimliche Art derjenigen ähnelte, in der ich noch gestern Abend gearbeitet hatte. Eine Galerie voller Statuen von Göttern und Göttinnen im ersten Stock. Ein Hauptgang, der zum Ausleihtresen in der Mitte der Bibliothek führte. Studiertische rechts und links davon mit düsteren Regalreihen drum herum. Es gab sogar einen Kaffeewagen in einer Ecke,

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