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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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obwohl im Moment keine Schüler davor anstanden, weil es noch so früh war.
    Doch auch hier gab es Unterschiede. Der Hauptraum der Bibliothek war quadratisch und hatte nur fünf Stockwerke, sodass sie im Vergleich zu der zu Hause klein und plump wirkte. Der Turm, den ich von außen bemerkt hatte, nahm die Mitte der Bibliothek ein, während die Flügel an drei Seiten von ihm abgingen wie die Speichen eines Rades. Dicke, übereinandergestapelte Kiefernstämme bildeten die Böden und stützten die oberen Stockwerke. Farbenfrohe Teppiche, die mit verschiedensten Symbolen der amerikanischen Ureinwohner geschmückt waren, bedeckten den Boden und wirkten wie in den Boden eingebrannte Reliefs. Ich senkte den Blick und stellte fest, dass ich auf dem Kinn des indianischen Schelmengottes Kojote stand. Ich murmelte eine leise Entschuldigung und trat von dem Teppich herunter.
    Doch die vielleicht eindrucksvollste Besonderheit war ein riesiger Steinkamin rechts vom Ausleihtresen. Er bestand aus denselben dunklen Natursteinen wie alles andere hier, war mindestens zehn Meter breit und wurde von gepolsterten Sesseln und Couchen umrahmt. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sich die Schüler dort versammelten, um vor den knisternden Flammen zu lernen. Wenn man das Gesamtbild betrachtete, erinnerte mich die Bibliothek an eine rustikale Jagdhütte. Es war nicht wie zu Hause, trotzdem gefiel mir der Raum und seine Ausstrahlung.
    Daphne ließ meinen Arm los und ging zu Carson, der bei den anderen stand. Ich drehte mich langsam und schaute mich um.
    Und schließlich sah ich nach oben. Die Decke hier bildete keine Kuppel, sondern teilte sich in drei Abschnitte, einen für jeden Flügel. Jeder einzelne Abschnitt stieg leicht an, bis sie in die quadratische Decke des Turms in der Mitte überging. Ich legte den Kopf noch weiter in den Nacken, weil ich mich fragte, ob es wohl auch hier ein Fresko an der Decke gab und ob ich es vielleicht sehen konnte, da das Gebäude viel niedriger war. Es gab tatsächlich ein Bild, von dem ein Großteil im Schatten lag, genau wie zu Hause. Doch zu meiner Überraschung konnte ich einige Bereiche vollkommen klar erkennen – und die Abbildungen dort zeigten verschiedenste Artefakte.
    Sigyns Bogen. Das Horn von Roland. Ruslans Schwerter. Ich erkannte die Artefakte, die Daphne, Carson und Alexei trugen, genauso wie Vic. Auf dem Bild hielt ich die Klinge in der Hand. Ich entdeckte sogar ein Artefakt, das mich sehr an Rans Netz erinnerte, das immer noch in meiner Umhängetasche steckte. Es sah aus, als wäre es dasselbe Fresko wie zu Hause, nur dass ich diesmal nur die Artefakte erkennen konnte – nicht die Personen, die sie hielten.
    Mein Blick senkte sich auf die Galerie im ersten Stock. Es kostete mich einen Moment, Nikes Statue in dem viereckigen Pantheon zu finden, obwohl sie auch hier mehr oder minder an derselben Stelle stand wie zu Hause. Ich sah die Göttin an. Für einen Moment schien es, als würde das Abbild schimmern und wabern wie eine heiße Straße im Sommer. Ich blinzelte, dann bemerkte ich, dass Nike den Kopf in den Nacken gelegt hatte. Ihr Blick war auf die Artefakte gerichtet, die ich immer noch an der Decke erkennen konnte. Ich runzelte die Stirn. Ich blinzelte wieder, und dann sah die Göttin mich an. Fast, als wollte sie mich vor etwas warnen …
    »Wunderschön, nicht wahr?«, sagte eine leise Stimme.
    Ich wirbelte herum und entdeckte dicht hinter mir einen Mann. »Entschuldigung?«
    Er nickte Richtung Decke. »Das Fresko. Es ist wunderschön, nicht wahr? Die Landschaft mit all den Bergen und die Akademie, die sich an den Hang schmiegt.«
    War es das, was er sah? Denn ich hatte ein solches Bild definitiv noch nie gesehen. Weder hier noch zu Hause. Aber wenn es eines gab, was ich in den letzten Monaten gelernt hatte, dann, Fremden gegenüber den Mund zu halten – egal wie nett und harmlos sie wirkten.
    »Sicher«, antwortete ich dementsprechend. »Ich finde es phantastisch.«
    »Ich auch.« Der Mann lächelte mich an.
    Er war eher klein, ungefähr eins siebzig, und unglaublich dünn. Seine Haare und Augen waren haselnussbraun, aber seine Haut war viel dunkler. Sie besaß ein tiefes, rötliches Braun, als hätte er über die Jahre viel Zeit draußen verbracht und hätte so eine Bräune gewonnen, die niemals wieder verblassen würde. Ein kleiner, brauner Ziegenbart zierte sein Kinn und milderte die Härte seiner Gesichtszüge ein wenig ab. Er trug einen dunklen Anzug, der mich an

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