Frostnacht
Der Trainer bedeutete uns, ihm zu folgen, und zusammen gingen wir wieder in den Konferenzsaal. Sobald wir alle drin waren, auch Rachel und Rory, schloss Covington die Tür.
Der Blick des Bibliothekars wanderte von mir über Rory zu Rachel und zurück. »Nun, es sieht so aus, als hätten ein paar von euch sich bereits bekannt gemacht. Für den Rest: Das ist Rachel Maddox. Sie arbeitet im Speisesaal.«
»Sie ist eine Küchenchefin«, unterbrach ihn Rory. »Die beste Köchin an dieser dämlichen Schule. Nicht irgendeine Frau an der Essensausgabe.«
Covington hielt inne. Rachel verzog das Gesicht und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Jeder hatte die Wut in Rorys Stimme gehört.
»Ähm, ja«, fuhr er schließlich fort. »Rachel ist Köchin. Außerdem ist sie mit den Eir-Ruinen vertraut und hat zugestimmt, uns morgen als Führerin zu dienen.«
»Woher wissen Sie so viel über die Ruinen?«, fragte Ajax.
»Meine Eltern hatten eine Sommerhütte in der Nähe«, antwortete Rachel. »Meine Schwester und ich haben sie als Kinder regelmäßig erkundet. Rory und ich gehen auch heute noch häufig dorthin.«
Rachel lächelte ihre Nichte an, doch dann huschte ihr Blick zu mir, und der zärtliche Ausdruck verschwand. Wahrscheinlich hatte sie gesehen, wie die Schüler im Speisesaal mich und Rory angefeindet hatten. Das bedeutete, dass Rachel genau wusste, wer ich war – noch eine Forseti.
»Auf jeden Fall hielt ich es für eine Idee, euch allen ein paar Bilder der Ruinen zu zeigen, damit ihr wisst, was wir dort vorfinden werden«, meinte Covington.
Der Bibliothekar fuhr einen Laptop hoch, der in einer Ecke stand, zog eine weiße Leinwand über eine der Wände und dimmte das Licht. Er drückte einen Knopf am Computer, und eine Reihe von Bildern flimmerte über die Wand.
Die Eir-Ruinen lagen auf einem wunderschönen, schneebedeckten Berg. Sie waren weitläufiger, als ich vermutet hatte, und erstreckten sich offensichtlich von einer Seite des Berges bis zur anderen. Aber wahrscheinlich wirkte die Anlage nur auf den Fotos so groß. Die Ruinen bestanden aus den Resten verschiedener Gebäude, die um einen Hof standen, der voller Blumen war. Ein kleiner Bach floss mitten durch den Hof in einen zerbrochenen Brunnen, bevor er von dort über den Berghang weiterplätscherte. Auf den Bildern wirkte das Wasser, als wäre es gefroren. Vielleicht waren die Fotos im Winter geschossen worden, auch wenn ich mir dann nicht vorstellen konnte, wie die Blumen in solch kaltem Klima überlebt hatten.
»Der Legende nach waren die Ruinen einst das Winterheim von Eir, der nordischen Göttin der Heilung.« Covington zeigte uns noch ein paar Bilder. »Wir interessieren uns natürlich für den großen Hof. Nun, eigentlich ist es mehr ein Garten. Dort blühen das ganze Jahr über die verschiedensten Blumen und Pflanzen. Außerdem schlängelt sich ein Bach durch die Anlage.«
Das nächste Foto zeigte die Steinstatue einer Göttin, von der ich annahm, dass sie Eir war. Kurzes Haar, scharfgeschnittene Nase, kurvenreicher Körper. Sie war bei Weitem nicht so schön wie Nike, aber in ihrem Gesicht lag eine … tiefe Freundlichkeit, die sogar im Bild klar zu erkennen war.
»Nachdem Rachel uns zu den Ruinen geführt hat, werden wir unser Lager aufschlagen und nach der Ambrosia-Pflanze suchen«, erklärte Covington. »Rachel glaubt, sie müsste irgendwo in der Nähe des großen Hofes wachsen.«
Der Bibliothekar drückte wieder einen Knopf, und sofort erschien das nächste Bild. Diesmal war es eine Nahaufnahme von ein paar bunten Wildblumen, die in den Spalten zwischen den Pflastersteinen des Hofes wuchsen.
»Nachdem wir die Ambrosia-Pflanze gefunden haben, warten wir bis Mitternacht, um die Blüten zu pflücken, wie Professor Metis uns angewiesen hat«, sprach Covington weiter. »Danach ruhen wir uns bis zum Morgengrauen aus, um anschließend wieder über den Berg abzusteigen. Rachel, möchtest du ein paar Worte dazu sagen, was uns auf diesem Trip wohl erwarten wird?«
Sie nickte, stand von ihrem Stuhl auf und trat vor die Leinwand.
»Der Aufstieg selbst ist nicht allzu gefährlich«, sagte Rachel. »Die Wanderung von Snowline Ridge zum Berggipfel, wo die Ruinen liegen, dauert ungefähr zwei Stunden. Doch ich bin sicher, ihr habt alle die Geschichten gehört. Die Ortsansässigen behaupten, die Ruinen seien voller seltsamer Magie und wunderlicher Geschöpfe. Ich habe noch nie etwas Derartiges gesehen, aber wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Das
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