Frostnacht
Kletterseil und mehr aus. Wir alle besaßen schon Waffen, aber jeder außer mir kaufte noch ein zusätzliches Schwert oder ein paar Dolche. Jeder wollte so gut wie möglich auf alles vorbereitet sein, was uns auf dem Berg erwarten mochte.
Als wir mit dem Einkaufen fertig waren, war es auch schon Zeit fürs Abendessen. Wir gingen wieder in den Speisesaal. Ajax begleitete uns, also bekamen wir diesmal keinen Ärger mit den anderen Schülern. Tatsächlich schien jeder darauf bedacht, uns so weit aus dem Weg zu gehen wie nur möglich. Niemand wollte sich mit einem Erwachsenen anlegen, der ein so geschickter, starker Kämpfer war wie unser Spartaner-Trainer.
Danach holten wir unser Gepäck aus der Bibliothek und wanderten den Hügel hinunter zu den Wohnheimen. Ich hatte gedacht, die Mächtigen dieser Akademie hätten uns in ein paar leeren Zimmern einquartiert, doch Ajax ging an den Gebäuden vorbei und bog auf einen Pfad ab, der ans andere Ende des Schulgeländes führte. Je weiter wir kamen, desto seltener sahen wir Häuser, und die Kiefernwäldchen wurden dichter. Schließlich erreichten wir ein kleines Steincottage mit einer umlaufenden Holzveranda, das versteckt zwischen den Bäumen stand. Die Fensterläden und Dachverzierungen waren in hellem Grün gestrichen, während das Dach mit schwarzem Schiefer gedeckt war. Grauer Rauch stieg aus dem Kamin in den Winterhimmel auf, wo er sich mit den grauen Wolken verband.
Wir traten auf die Veranda. Die Tür zum Cottage wurde geöffnet, und Rachel kam heraus, gefolgt von Rory.
Ich sah Ajax an. »Was soll das?«
»Rachel hat ein Gästezimmer, und sie hat angeboten, dich und Daphne für die Nacht aufzunehmen.« Ajax deutete auf ein ähnliches Häuschen, das ein wenig entfernt auf einem kleinen Hügel stand. »Dieses Cottage steht leer. Dort werden die Jungs und ich schlafen. Außerdem dachte ich, so könntest du dich ein wenig … mit Rachel und Rory unterhalten. Über deinen Vater.«
Oh. Dann kannte er die gesamte, traurige Geschichte. Ich fragte mich, wer von meinen Freunden sich verquatscht hatte. Ich hatte es Daphne erzählt, die die Story zweifellos an Carson und die anderen weitergegeben hatte.
»Ist das okay?«, fragte Ajax. »Oder würdest du lieber bei uns anderen bleiben?«
Ich sah Rachel und Rory an, und ich konnte die Neugier und Anspannung fühlen, die von beiden ausging – und auch die Sehnsucht. »Nein«, meinte ich. »Ich würde gerne bei ihnen übernachten, wenn es für Daphne okay ist.«
»Machst du Witze?«, fragte sie. »Natürlich will ich bei ihnen übernachten. Ähm, hallo, nettes warmes Cottage, Betten, Decken, heißes Wasser und, das Beste von allem, keine Jungs, die mir die ganze Nacht ins Ohr schnarchen.«
Ich wollte darauf hinweisen, dass Daphne lauter schnarchte als ein Rennwagen auf der Formel-1-Strecke, hielt aber lieber den Mund.
Wir verabschiedeten uns von den Jungs, dann beobachteten wir noch, wie sie den Hügel hinaufstapften und in dem anderen Cottage verschwanden. Danach warfen wir uns das Gepäck über die Schulter und betraten Rachels und Rorys Haus.
Rachel lächelte uns strahlend an und führte uns in den Flur. »Ich bin froh, dass ihr Mädels bei uns schlaft. Rory hat in letzter Zeit nur selten Gesellschaft.«
»Ja«, höhnte Rory. »Es ist schon komisch, wie einem das ganze Sozialleben flöten geht, wenn die Eltern sich als Schnitter entpuppen.«
Rachel zog eine Grimasse, doch sie konnte ihrer Nichte kaum widersprechen.
Das Cottage wirkte innen genauso einladend, wie es von außen hübsch und charmant war. Hellgrüne kleine Teppiche lagen auf dem Parkettboden, und im Wohnzimmer prasselte ein fröhliches Feuer im Kamin. Auf verschiedenen antiken Tischen stand diverser Krimskrams aus Glas, während die schweren Holzmöbel mit Schnitzereien von Blumen, Ranken und Bäumen verziert waren.
Außerdem stand eine Reihe von Fotos auf den Tischen. Ich wanderte hinüber, um sie mir genauer anzusehen. Auf einem der Bilder saß Rory zwischen Rachel und einer anderen Frau, die ihnen sehr ähnlich sah. Sie hatten die Arme untergehakt. Das musste wohl Rorys Mom sein. Ein anderes Foto zeigte Rory mit derselben Frau und einem Mann, den ich für ihren Dad hielt. Zumindest hatte er dasselbe sandblonde Haar und dieselben blauen Augen wie mein Dad. Rory grinste auf jedem der Bilder, aber das Lächeln ihrer Eltern wirkte irgendwie traurig, genau wie es bei den Bildern meines Dads immer gewesen war.
Rory bemerkte, wie ich die Fotos
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