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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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fiese Fallen denken und entschloss mich, ihr zu gehorchen. Es war wahrscheinlich keine gute Idee, eine Göttin gegen sich aufzubringen, während man sich in ihrem Haus aufhielt. Oder zumindest in dem, was davon übrig war.
    »Okay, okay, ich gehe ja schon«, sagte ich. »Einen Moment bitte.«
    Ich schob mich um die Statue, dann lehnte ich mich vor, um genauer zu sehen, auf welche Stelle sie zeigte. Sobald ich mein Ziel im Visier hatte, ging ich los.
    Alle waren immer noch eifrig damit beschäftigt, nach den Blumen zu suchen, also bemerkte niemand, dass ich an der zerbröckelten rechten Mauer des Hofes entlangwanderte. Ab und zu sah ich hinter mich, aber die Statue von Eir zeigte immer weiter in dieselbe Richtung. Schließlich fand ich, was ich für die richtige Stelle hielt. Ich ging in die Hocke und ließ den Blick über die Blumen vor mir gleiten. Dichte Büschel von leuchtend lila Flieder vermischten sich mit Ranken, die von großen, leicht gräulichen Windenblüten gekrönt wurden. Keine weißen Blüten und nichts, was auch nur ansatzweise an Chloris-Ambrosia erinnerte. Frust stieg in mir auf, und ich sah über die Schulter zu Eir zurück.
    »Erzähl mir nicht, dass du mich auf eine sinnlose Suche geschickt hast«, murmelte ich.
    Die Statue schien die Augen noch ein wenig mehr zusammenzukneifen, als wäre sie von mir und meinem bissigen Tonfall wenig begeistert. Nun, damit wäre sie nicht die Erste – oder die Letzte.
    »Okay, okay«, murmelte ich wieder. »Wer bin ich, eine Göttin zu hinterfragen?«
    Also sah ich wieder zur Statue zurück und versuchte zu erkennen, worauf genau sie zeigte. Plötzlich verstand ich, dass ihr Finger nicht nach unten auf den Boden gerichtet war, sondern vielmehr auf die Steinmauer direkt vor mir.
    Ich drehte den Kopf, hob den Blick – und hätte fast aufgeschrien, als ich feststellte, dass ich direkt vor einem weiteren Relief eines Greifs stand.
    Ehrlich, ich sah auf – und da war er, so verdammt nah vor meiner Nase. Ich sprang ein kleines Stück zurück und wäre fast umgekippt, bevor es mir gelang, das Gleichgewicht wiederzufinden. Dann atmete ich ein paarmal tief durch, um mein rasendes Herz zu beruhigen. Reiß dich zusammen, Gwen. Es war nur ein Relief, eines von Dutzenden, die ich bisher im Hof entdeckt hatte. Es war ja nicht so, als wäre es ein echter Greif.
    Doch als ich genauer hinsah, stellte ich fest, dass das Relief nicht nur einen Greif zeigte – sondern auch Eir. Der Greif stand mit gesenktem Kopf vor der Göttin. Ein paar kleine, zerbrechlich wirkende Blüten waren aus dem Bereich des Steins gewachsen, der den Schnabel des Greifs formte, sodass es aussah, als würde die Kreatur Eir diese Blumen als Geschenk präsentieren. Okay, das war ein wenig seltsam, aber mein Unbehagen hielt mich nicht davon ab, mir die Blüten genauer anzusehen.
    Ich zog mein Handy heraus und musterte das Bild der Ambrosia-Pflanze. Grüne Ranke, weiße Blüten. So weit, so gut. Jetzt kam der ausschlaggebende Punkt. Ich hob die Hand und drehte sanft eine der Blüten so um, dass ich hineinsehen konnte.
    Purpurne und graue Streifen zogen sich im Inneren über die Blütenblätter.
    Mein Herz klopfte vor Aufregung wie wild, aber ich zwang mich, die Blüten noch genauer zu untersuchen. Sie waren winzig, jede einzelne kaum größer als mein Daumennagel. Wieder verglich ich sie mit dem Bild auf meinem Handy. Grüne Ranke, weiße Blüten, purpurne und graue Streifen.
    Dieses Mal war ich mir sicher, keinen Fehler gemacht zu haben. Wir würden doch noch die Chance bekommen, Nickamedes zu retten.
    »Hey!«, rief ich, während ein breites Grinsen mein Gesicht eroberte. »Ich habe sie gefunden! Ich habe die Ambrosia-Blüten gefunden!«
    Die anderen eilten heran, und zusammen musterten wir die Blüten an der Wand.
    »Das sind sie doch oder nicht?«
    Ajax hielt sein eigenes Handyfoto neben die Blüten. »Für mich sieht es so aus. Rachel?«
    Sie nickte zustimmend.
    »Wie bist du nur auf die Idee gekommen, an dieser abgelegenen Stelle zu suchen?« Covington starrte mich an, nicht die Blüten. »Wir anderen sind davon ausgegangen, dass die Pflanze auf dem Hof selbst wächst, nicht hier am Rand.«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Einfach Glück, nehme ich an.«
    Der Bibliothekar beäugte mich misstrauisch, sagte aber nichts mehr. Die anderen schlugen mir auf die Schultern und gratulierten mir, doch ich konnte immer noch Covingtons Blick spüren. Ich fragte mich, was Ajax ihm wohl über mich erzählt hatte –

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