Frostnacht
verkündete, wie sehr seine Allergien ihn quälten. Rory warf ihm einen mitleidigen Blick zu, doch dann machten sie sich beide wieder auf die Suche.
»Ich habe noch nie zuvor in meinem Leben so viele Blüten gesehen«, murmelte Daphne, die sich ein paar Schritte von mir entfernt ihren Weg durch ein paar Ranken bahnte. »Wir werden das Ambrosia nie finden. Ich sehe hier überall weiße Blüten. Und da rede ich noch nicht von den cremefarbenen, elfenbeinfarbenen, eierschalenweißen und jeder anderen Schattierung von weiß und creme.«
»Wir müssen weitersuchen – für Nickamedes.«
Daphnes Blick verdunkelte sich. »Ich weiß. Ich mache mir nur Sorgen, dass wir die Pflanze nicht finden.«
»Wir werden sie finden.« Ich bemühte mich, selbstsicherer zu klingen, als ich mich fühlte. »Wir müssen einfach.«
Damit suchten wir weiter. Alexei, Oliver und Rachel tauchten wieder auf, jeder mit einem Armvoll Feuerholz. Ein paar Minuten später entzündete Rachel in einem Steinkreis in der Nähe der Zelte ein Feuer. Ich legte eine kurze Pause ein, um mich aufzuwärmen. Dicht bei den Flammen drehte ich mich mal hierhin, mal dorthin, um die Hitze des Feuers in meinen Körper aufzunehmen, bevor ich wieder in das Meer aus Blüten eintauchte.
Eine weitere Stunde verging. Inzwischen war das Lager fertig aufgebaut, und wir suchten alle gemeinsam nach der Ambrosia-Pflanze. Doch niemand hatte Erfolg.
»Irgendwas?«, rief Ajax angespannt und frustriert.
Wir schüttelten alle den Kopf. Er seufzte und ging wieder in die Hocke, um die Blüten vor sich anzustarren und mit dem Bild auf seinem Handy zu vergleichen, genau wie der Rest von uns es ständig tat.
Ich beendete meine Untersuchung eines Abschnitts und richtete mich auf, um mich zu strecken. Ich stand nah am rechten Rand des Hofes. Wieder sank mir das Herz, als ich über all die Pflanzen und Ranken hinwegsah. Wir hatten bis jetzt noch nicht mal die Hälfte des Hofes abgesucht. Wir konnten eine Woche hier verbringen und trotzdem keine einzige Ambrosia-Blüte finden – aber so viel Zeit blieb Nickamedes einfach nicht mehr.
Ich seufzte und lehnte mich gegen die halb eingestürzte Mauer. Zumindest versuchte ich es. Ich verzog das Gesicht, als sich etwas Scharfes in meinen Rücken grub, sogar durch meinen purpurnen Skianzug und all die Kleidungsschichten darunter. Ich drehte mich um und stellte fest, dass ich mich gar nicht gegen eine Wand gelehnt hatte – sondern gegen eine Statue der Göttin Eir.
Ich richtete mich auf und trat zurück. »Ups. Tut mir leid. Ich wollte dir nicht die Sicht versperren oder irgendwas. Ich kann mir vorstellen, wie sehr du es genießt, über deine Blüten hinwegzusehen.«
Natürlich antwortete die Statue nicht. Stattdessen schien sie mich anzustarren.
Irgendwie hatte die Statue den Kopf gedreht, bis ihre leeren, steinernen Augen genau in meine Richtung blickten. Ich seufzte. Jede Statue starrte mich an. Immer. Das gehörte einfach zu meinem Leben in Mythos. Ich hatte erwartet, dass das Gruselgefühl irgendwann nachlassen würde, aber scheinbar konnte ich es nicht abstellen. Aber vielleicht fühlte ich mich im Moment auch so unwohl, weil es eine Göttin war, die mich ansah – eine Göttin, in deren Ruinen ich gerade stand. Es hätte mich nicht überrascht, wenn die Augen plötzlich aufgeklappt wären, um eine Reihe von vergifteten Pfeilen auf meine Brust abzuschießen. So was passierte zumindest in Filmen immer.
Ich hielt einen Moment den Atem an, aber Eir starrte mich einfach nur weiter an. Offensichtlich würde ich doch nicht mit vergifteten Pfeilen gespickt werden. Schön. Das war wirklich schön.
Die Göttin sah mich noch einen Moment an – dann bewegte sich ihr Kopf.
Ehrlich, der Stein … er … na ja, die Statue drehte sich einfach. In einem Moment sah Eir mich direkt an. Im nächsten hörte ich ein kratzendes Geräusch. Nach dem nächsten Blinzeln schaute die Göttin in die entgegengesetzte Richtung. Und nicht nur das. Ich hätte auch schwören können, dass ich sah, wie sie die Hand hob und mit dem Finger in die hintere Ecke des Gartens zeigte – fast als wollte sie, dass ich in diese Richtung ging und mich dort umsah.
Ich zog mich langsam von der Statue zurück. Die Göttin deutete weiterhin auf diese bestimmte Stelle, auch wenn ihr Kopf sich wieder zu mir drehte. Nach einem Moment kniff sie die Augen zusammen, als würde es sie stören, dass ich ihrer Weisung nicht folgte. Wieder musste ich an vergiftete Pfeile und andere
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