Frostnacht
Wut sorgte dafür, dass ihre Wangen brannten und ihre Augen blitzten. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt. »Warum? Warum haben sie versucht, Sie aufzuhalten?«
»Sie waren unglücklich«, höhnte er wieder. »Sie wollten nicht, dass du als Erwachsene wie sie wirst. Buhuhuhu. Sie sprachen sogar darüber, die Schnitter ganz zu verlassen. Aber sie hätten es besser wissen müssen. Niemand verlässt uns … niemals.«
»Also haben Sie sie reingelegt«, sagte Rory heiser vor Wut. »Sie haben ihnen Ihre Taten angehängt.«
»Oh, werd erwachsen, dummes Mädchen«, blaffte Covington. »Deine hochgeschätzten Eltern waren kaum unschuldig. Sie gehörten schon lange Zeit zu den Schnittern – seit Jahren. Du hast keine Ahnung, was sie alles in Lokis Diensten getan haben.«
Tränen rannen über Rorys Gesicht, doch sie machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Rachel weinte ebenfalls, aber beide trugen dieselbe verletzte, entschlossene Miene zur Schau.
Covington lachte nur über ihre Wut und ihre Tränen. »Wisst ihr, was das Beste ist? Dass ihr beide dumm genug wart, mit dem Rest dieser Narren hier auf den Berg zu steigen. Was glaubst du, Rachel, warum ich dich gebeten habe, unsere Führerin zu spielen?«
Rachel wirkte verwirrt, doch ich hatte das nagende Gefühl, dass ich genau wusste, worauf das hinauslief.
»Weil ich der Einzige aus unserer Gruppe sein werde, der lebend zur Akademie zurückkehrt«, beantwortete Covington seine eigene Frage. »Natürlich wird es eine Untersuchung durch das Protektorat geben, doch letztendlich wird dabei nur herauskommen, dass ich die restlichen Mitglieder der Forseti-Schnitterfamilie erledigt habe.«
Also wollte er nicht nur Vivian und Agrona dabei helfen, uns umzubringen, sondern der Bibliothekar plante auch, die Morde Rachel und Rory anzuhängen. Und natürlich würden ihm alle glauben, angesichts der Tatsache, dass Rorys Eltern Schnitter gewesen waren. Grausam – sehr, sehr grausam.
»Damit werden Sie nicht durchkommen«, gelobte Rory. »Ich werde es nicht zulassen.«
Ihr rannen weiterhin Tränen über das Gesicht, doch sie näherte sich langsam dem Bibliothekar. Genau wie Rachel. In der Zwischenzeit schlichen sich die Schnitter an meine Freunde an, die nicht von der Stelle wichen, sondern zögerten. Sie wollten die Schnitter angreifen, aber sie konnten nicht – nicht solange Covington mir den Dolch an die Kehle hielt. Und das bedeutete, dass ich einen Weg finden musste, mich selbst zu befreien. Sonst waren wir alle tot.
Schnell überdachte ich meine Möglichkeiten. Sicher, ich hielt Vic in der rechten Hand, doch ich konnte das Schwert nicht heben und den Bibliothekar damit angreifen. Nicht während Covington direkt hinter mir stand. Also konzentrierte ich mich darauf, wie und wo genau er stand. Er hatte den linken Arm um meine Hüfte gelegt, während seine Rechte mit dem Dolch an meiner Kehle lag. Warmes Blut floss von dem Schnitt, den er mir bereits zugefügt hatte, über meine Haut.
Nein, ich konnte Vic nicht einsetzen. Nicht ohne dafür zu sorgen, dass der Bibliothekar mir die Kehle durchschnitt. Doch das Schwert war nicht meine einzige Waffe – ich besaß auch noch meine Berührungsmagie.
Damit hatte ich Preston Ashton besiegt, als er mich mit dem Helheim-Dolch erstochen hatte. Ich hatte die Lebenskraft des Schnitterjungen in meinen eigenen Körper gezogen und meine Wunde damit geheilt – und Preston war daran gestorben. Ihn umzubringen war schon schrecklich genug gewesen, aber Vic hatte gewollt, dass ich dasselbe Logan antat, um ihn davon abzuhalten, mich unter dem Einfluss der Apate-Juwelen zu ermorden. Da hatte ich mich geweigert. Ich hatte Logan nicht verletzen wollen. Ich hatte meine Gypsygabe nicht auf diese Art einsetzen wollen. Nicht noch mal. Nie wieder.
Doch Covington war ein Schnitter – mein Feind –, und er hatte mich und meine Freunde freudig in Agronas und Vivians Falle geführt. Und nicht nur das, er hatte Rorys Eltern eine Tat angehängt, die sie gar nicht begangen hatten.
Preston mit meiner Berührungsmagie zu töten hatte mich angewidert, und auch bei dem Gedanken, meine Psychometrie gegen Covington einzusetzen, wurde mir schlecht. Aber ich sah keinen anderen Ausweg. Meine Freunde konnten sich nicht verteidigen, bevor ich mich nicht befreit hatte, und das war der einzige Weg, wie ich dem Halt des Bibliothekars entkommen konnte.
Also konzentrierte ich mich auf Covingtons Hand an meiner Hüfte. Ich hielt Vic in der Rechten, doch
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