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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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gemacht und sämtliche Spuren seiner Anwesenheit beseitigt hatte. Im Badezimmer gab es weder einen Rasierapparat noch eine Zahnbürste. In der Wohnung fehlten jegliche persönlichen Gegenstände. Der Mann hatte keinen Computer besessen, und die Schubladen waren leer, es fanden sich keine Rechnungen, Briefe oder dergleichen, weder Tageszeitungen noch Zeitschriften, es gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass jemand je in der Wohnung gewohnt hatte.
    Der Leiter der Spurensicherung gesellte sich zu Erlendur. Drei seiner Mitarbeiter waren mit der Durchsuchung beschäftigt.
    »Nach was suchen wir, sagst du?«, fragte er Erlendur.
    »Einem Kinderschänder«, antwortete der.
    »Es hat nicht den Anschein, als habe er hier viel liegen gelassen«, sagte der Leiter der Spurensicherung.
    »Vielleicht war er darauf vorbereitet, die Wohnung Hals über Kopf verlassen zu müssen.«
    »Ich bezweifle, dass wir hier auch nur einen einzigen Fingerabdruck finden.«
    »Wahrscheinlich nicht, aber versucht es trotzdem.«
    Elínborg wanderte schweigend in der Wohnung auf und ab, als ihr Handy sich meldete. Sie telefonierte eine ganze Weile, bevor sie es wieder in die Tasche steckte und nach Erlendur Ausschau hielt.
    »Ich wünschte, bei mir zu Hause sähe es auch einmal so aus«, sagte sie. »Glaubst du, dass dieser Gestur Elías umgebracht hat?«
    »Denkbar ist es, aber es kann auch ganz anders gewesen sein«, antwortete Erlendur.
    »Er scheint sich aus dem Staub gemacht zu haben, oder?«
    »Möglich, dass er sofort, nachdem ich weg war, zum Putzeimer gegriffen hat.«
    »Oder könnte es sein, dass er ein extrem ordnungsliebender Mensch und nur ein paar Tage verreist ist?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Erlendur.
    »Sigurður Óli hat nichts über diesen Mann herausgefunden«, sagte Elínborg und wedelte dabei mit ihrem Handy. »In unseren Akten über Sexualstraftäter findet sich keiner der von ihm verwendeten Namen, obwohl die Listen Jahre, sogar Jahrzehnte zurückreichen. Im Augenblick vergleicht er das Foto mit unseren Files. Schöne Grüße.«
    »Sag doch nicht ›Files‹«, sagte Erlendur, »das macht mich krank. Wie wäre es mit ›unserem Bildarchiv‹? Warum redest du so?«
    »Mensch … Lass die Leuten doch reden, wie sie wollen.«
    »Das ist wahrscheinlich ein Kampf gegen Windmühlen wie so vieles andere«, sagte Erlendur.
    »Es hat nicht den Anschein, als habe er Kinder hier in die Wohnung gelockt«, sagte Elínborg.
    Das war nicht einfach so dahingesagt. Erlendur wusste, auf was sie anspielte. Sie hatten die Wohnungen solcher Päderasten durchsucht, die einer kindlichen Traumwelt entsprachen, in der sich alle Wünsche zu erfüllen schienen. Nichts dergleichen war in dieser Wohnung zu finden, nicht mal eine Tüte mit Süßigkeiten oder ein spannendes Computerspiel.
    »Falls Gestur mich nicht angelogen hat, kannte er Elías«, sagte Erlendur. »Das ist der Grund für diese Hausdurchsuchung. Aber wie du schon gesagt hast, falls Elías jemals hier in der Wohnung gewesen ist, hat Gestur inzwischen die Spuren alle gründlich beseitigt.«
    »Es kann natürlich sein, dass er noch irgendwo anders einen Unterschlupf hat, wo er die Bonbons und die Schokolade aufbewahrt.«
    »So was hat es schon gegeben.«
    »Müssen wir uns nicht noch mal Andrés vorknöpfen?«, fragte Elínborg.
    »Ja, das müssen wir«, sagte Erlendur und klang, als freue er sich nicht sonderlich darauf.
    Solange sie auf die Genehmigung zur Hausdurchsuchung gewartet hatten, hatten sie versucht, mehr über Gestur in Erfahrung zu bringen. Sie hatten mit dem Vermieter gesprochen, dem Mann, der die meisten Wohnungen in diesem Treppenaufgang besaß. Elínborg und Erlendur waren zu seinem Büro in der Innenstadt gefahren. Der Vermieter war ein etwas hektischer Mann Mitte dreißig, der einen Fangquotenanteil aus einem kleinen Fischerort in Nordisland geerbt und ihn verkauft hatte. Jetzt war er Immobilienmakler in Reykjavík und allem Anschein nach sehr erfolgreich. Er sagte ihnen, dass er vorhabe, die Wohnungen in dem Block eine nach der anderen zu verkaufen, der Mietmarkt sei ihm zu anstrengend, weil die Mieter unzuverlässige Zeitgenossen seien. Er besaß auch noch andere Mietobjekte in der Stadt und musste sich ständig mit Mietrückständen, Prozessen und Zwangsräumungen befassen, was aber alles nichts einbrachte.
    »Dieser Gestur hat aber immer pünktlich bezahlt?«, fragte Elínborg.
    »Immer. Er hat die Wohnung vor anderthalb Jahren angemietet, und es hat nie Probleme

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