Frostnacht
…«
»Was?«, fragte Elínborg, als Erlendur mitten im Satz verstummte.
»Keine Ahnung, weshalb ich dich damit belaste«, sagte er und machte sich auf den Weg zu seinem Auto.
»Du belastest mich nicht«, sagte Elínborg. »Das hast du noch nie gemacht«, fügte sie hinzu, sicher, dass Erlendur sie nicht mehr hörte.
»Elínborg«, sagte Erlendur, indem er sich umdrehte.
»Ja.«
»Was ist mit deiner Tochter? Geht es ihr inzwischen etwas besser?«
»Ja, sie ist auf dem Weg der Besserung«, antwortete Elínborg. »Danke der Nachfrage.«
Kurz nach dem Abendessen fuhren Erlendur und Sigurður Óli zu Andrés. Er war zu Hause, hatte ein wenig getrunken, war aber imstande, sich mit ihnen zu unterhalten. Es hatte keine ausreichende Veranlassung bestanden, ihn nach der ersten Vernehmung festzuhalten, deswegen war er freigelassen worden. Er ließ sie mit einem Grinsen eintreten, das Erlendur sofort auf die Nerven ging. Er hatte den ganzen Tag nach Spuren gesucht, die ihn zu Gestur führen konnten, und jetzt war er müde. Elínborg war nach Hause gefahren. In Andrés’ Wohnung war es dunkel, und ein aufdringlicher Essensgeruch schlug ihnen entgegen. Es stank so, als hätte er fermentierten Rochen mit ausgelassenem Hammelschmalz gegessen. Sie blieben im Wohnzimmer stehen, während Andrés sich in einen Sessel warf, der direkt vor dem Fernseher platziert war. Neben ihm standen Bierdosen auf dem Tisch, und leere Schnapsflaschen lagen herum. Vom Sessel aus starrte er auf den Fernseher, als seien sie gar nicht anwesend. Nur die flimmernde Helligkeit des Bildschirms tauchte sie ein wenig in Licht. Der Fernsehsessel hatte eine hohe Rücklehne, über die nur Andrés’ Kopf herausragte.
»Wie kommt ihr vorwärts?«, fragte Andrés, öffnete eine Bierdose, nahm schlürfend einen Schluck und rülpste.
»Wir haben ihn gefunden«, sagte Erlendur, »deinen ehemaligen Stiefvater.«
Andrés stellte die Bierdose ab. »Das ist eine Lüge«, sagte er. »Er nennt sich Gestur und wohnt im gleichen Haus wie der Junge, der ermordet wurde.«
»Und was weiter?«
»Sag du uns das.«
»Was meinst du damit?«
»Wo steckt er jetzt?«
»Was denn, ihr habt ihn doch gerade gefunden?«
»Wir haben seine Wohnung gefunden«, sagte Erlendur.
Andrés streckte seine Hand nach der Bierdose aus. »Aber nicht ihn selbst?«
»Nein«, sagte Erlendur.
Sie schwiegen.
»Ihr findet ihn nie«, sagte Andrés nach einer Weile.
»Weißt du, wo er ist?«, fragte Erlendur.
»Was, wenn ich es wüsste?«
»Dann hast du uns das gefälligst zu sagen«, sagte Sigurður Óli ärgerlich.
»Wart ihr drinnen bei ihm?«
»Das tut nichts zur Sache«, sagte Erlendur.
»Wie sieht es drinnen bei ihm aus, vielleicht so wie bei mir?«, fragte Andrés. Er machte eine großzügige Bewegung mit der Hand, in der er die Bierdose hielt, als fordere er sie auf, die Müllhalde zu bewundern, die sein Zuhause darstellte.
»Wir können dich einbuchten, weil du eine polizeiliche Ermittlung behinderst«, sagte Sigurður Óli.
»Ach nee.«
»Und weil du dich weigerst, auszusagen«, fügte Sigurður Óli hinzu.
»Ich mach mir gleich in die Hose vor Schiss«, kicherte Andrés.
»Weißt du, wo er ist?«, fragte Sigurður Óli.
»Der Vogel war also ausgeflogen, und jetzt soll Klein-Drési euch aus der Patsche helfen«, sagte Andrés. »Ist es nicht so? So hättet ihr’s wohl gern, ihr miesen Bullen. Wann habt ihr jemals einem aus der Patsche geholfen?«
Erlendur warf Sigurður Óli einen Blick zu, formte mit den Lippen die Worte »Klein-Drési« und schüttelte verständnislos den Kopf.
»Was für einen Namen hat er verwendet, als du ihn gekannt hast?«, fragte Erlendur.
»Er hat sich Rögnvaldur genannt«, sagte Andrés. »Damals hieß er Rögnvaldur. Ihr seid drinnen bei ihm gewesen, oder nicht? Aber finden tut ihr gar nichts. Ihr habt keinen blassen Schimmer, wer dieser Mann ist. Nur Klein-Drési kann euch helfen. Aber jetzt will ich euch mal was sagen. Drési hilft euch nicht. Klein-Drési denkt nicht daran, auch nur einen Finger für euch krumm zu machen. Und wisst ihr, warum?«
»Warum?«, fragte Erlendur.
»Was soll dieser Quatsch mit Klein-Drési?«, fragte Sigurður Óli, griff nach dem Sessel, auf dem Andrés saß, und drehte ihn vom Fernseher weg. Erlendur packte Sigurður Óli am Arm, um ihn daran zu hindern, aber zu spät. Der Stuhl schwang langsam herum, und Andrés schaute verblüfft zu ihnen hoch.
»Verfluchter Idiot!«, fuhr Erlendur Sigurður Óli
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