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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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getan hatte. Er war sogar darauf gefasst, dass die Frau gleich wieder anrufen würde. Als das nicht geschah, legte er das Handy auf den Küchentisch und stand auf. Er nahm das Buch zur Hand, aus dem er Marian Briem im Krankenhaus vorgelesen hatte, und setzte sich damit in den Sessel. Er ließ die Seiten durch die Finger gleiten, wie er es schon so oft getan hatte, und schlug den Bericht auf, den er so gut kannte, der aber nur einen Teil von dem enthielt, was vorgefallen war.
    TRAGISCHER UNGLÜCKSFALL
    IN DEN BERGEN VON ESKIFJÖRÐUR
    Wieder einmal begann er mit der Lektüre, wurde aber bald durch ein leises Klopfen an der Tür unterbrochen. Er legte das Buch hin, stand auf und ging zur Tür. Eva Lind stand auf dem Treppenabsatz. Zusammen mit Sindri Snær.
    »Ihr schlaft wohl nie?«, fragte er und hielt ihnen die Tür auf.
    »Genau wie du«, sagte Eva und schlüpfte an ihm vorbei. »Hast du Fleischsuppe gegessen?«, fragte sie schnuppernd. »Aus der Mikrowelle«, antwortete Erlendur, »kann man kaum Essen nennen.«
    »Ich bin sicher, dass du dir ein ganz ordentliches Essen kochen könntest, wenn du nur wolltest«, sagte Eva und ließ sich auf dem Sofa im Wohnzimmer nieder. »Was liest du da gerade?«, fragte sie, als sie das aufgeschlagene Buch auf dem Tisch neben dem Sessel liegen sah. Sindri setzte sich neben Eva. Es war lange her, dass die beiden zusammen zu Besuch gekommen waren.
    »Irgendwelche Geschichten«, sagte Erlendur. »Und was treibt ihr so?«
    »Nichts Besonderes, wir dachten bloß, wir könnten ein Drop-in machen.«
    »Drop-in?«
    »Geht’s um Katastrophenfälle in den Bergen?«, fragte Sindri.
    »Ja.«
    »Du hast mir mal erzählt, es gäbe auch so eine Geschichte über deinen Bruder«, sagte Eva.
    »Das stimmt, die gibt es.«
    »Aber du willst sie mir nicht zeigen?«
    Er wusste nicht, weshalb er nicht einfach Eva Lind das Buch hinüberreichte. Es lag aufgeschlagen auf dem Tisch zwischen ihnen, und selbst, wenn es nicht die ganze Wahrheit enthielt, reichte es doch aus, um ihr und Sindri ein einigermaßen gutes Bild von dem zu geben, was vorgefallen war. Erlendur selber hat ihnen nur das Allernotwendigste gesagt. Der Bericht gab auch nicht viel mehr preis. Er wusste inzwischen gar nicht mehr, was er da eigentlich für sich behalten wollte, falls er es denn überhaupt jemals gewusst hatte. Sindri hatte von der alten Geschichte erfahren, als er eine Zeit lang in den Ostfjorden war. Es hatte nicht den Anschein, als sei es noch ein Geheimnis.
    »Ich habe von ihm geträumt«, sagte Eva. »Das habe ich dir schon gesagt. Ich bin mir ganz sicher, dass es dein Bruder war.«
    »Willst du jetzt schon wieder damit anfangen? Ich weiß nicht, was du ihr da eingeredet hast, Sindri.«
    »Ich hab ihr gar nichts gesagt«, erklärte Sindri und griff nach seiner Zigarettenschachtel.
    »Es ist doch bloß ein Traum. Warum hast du solche Angst vor Träumen? Ich kann gar nicht glauben, dass du so etwas ernst nimmst.«
    »Das tue ich auch nicht, etwas in mir sträubt sich dagegen, an diesen Dingen zu rühren.«
    »Ach nee«, sagte Eva Lind und deutete mit dem Kopf auf das aufgeschlagene Buch. »Aber du liest ständig darüber. Oder zumindest über so ähnliche Fälle. Es hat wahrhaftig nicht den Anschein, als hättest du das total verdrängt!«
    »Ich möchte diese Dingen nicht zusammen mit anderen aufleben lassen«, berichtigte Erlendur sich.
    »Aha, du willst es also für dich allein behalten. Ist das der Punkt?«
    »Ich weiß nicht, was der Punkt ist.«
    »Du möchtest nicht, dass jemand dir das wegnimmt?«
    »Ich glaube, du weißt nicht, wovon du redest«, sagte Erlendur.
    »Ich möchte dir doch bloß meinen Traum erzählen. Ich hab noch nie so was geträumt. Ich kapier nicht, warum du mir nicht zuhören willst. Und es war ja fast noch nicht mal ein Traum. Es war so ein Bild, das in meinem Kopf auftauchte, und damit bin ich aufgewacht.«
    »Woher weißt du, dass es mein Bruder war?«
    »Ich wüsste nicht, wer es sonst gewesen sein könnte«, sagte Eva.
    »Träume sind Schäume, das weißt du doch«, ließ sich Sindri vernehmen.
    »Genau das versuch ich ihm ja zu verklickern«, sagte Eva.
    Sie schwiegen.
    »Auf welche Weise ist er zu Tode gekommen?«, fragte Eva. »Das hab ich dir doch gesagt. Er ist im Schneesturm erfroren. Er war acht Jahre alt. Wir haben uns verirrt. Ich wurde gefunden, er nie. Vielleicht hast du von ihm geträumt. Das spielt keine Rolle, reg dich deswegen nicht auf. Erzählt mir lieber was über euch

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