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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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kommst«, sagte Erlendur.
    »Ich habe mich mit Guðný, der Dolmetscherin, unterhalten. Sie sagt, dass Sunee versucht hat, ihren Söhnen beizubringen, was sie in ihrer eigenen Kindheit gelernt hat, nämlich älteren Menschen Achtung entgegenzubringen. Das gehört wohl zu den Grundprinzipien der Erziehung in Thailand. Dadurch werden sie stark geprägt. Ebenso wichtig ist es, dass sie Verantwortung übernehmen lernen. Alte Menschen, die Großmutter, der Großvater, Urgroßmutter und Urgroßvater, ihnen gebührt Ehrerbietung. Die Älteren geben ihre Erfahrung an die Jüngeren weiter, die wiederum für ihr gesichertes Alter sorgen. Und es ist keineswegs ein Zwang, sondern eine Selbstverständlichkeit. Und Kinder sind …« Elínborg seufzte tief, denn sie musste an Elías denken. »Guðný sagt, dass in Thailand die Älteren im Bus für die Kinder aufstehen und ihnen ihren Platz überlassen.«
    Sie schwiegen.
    »Das ist alles so neu für uns. Einwanderer, Ausländerprobleme … Wir kennen uns damit so wenig aus«, sagte Erlendur schließlich.
    »Das stimmt. Ich glaube aber trotzdem, dass wir zumindest versuchen, unser Bestes zu tun.«
    »Ganz bestimmt, aber jetzt mach endlich, dass du nach Hause kommst.«
    »Wir sehen uns morgen«, sagte Elínborg, stieg aus dem Auto und schlug die Tür hinter sich zu.
    Erlendur bedauerte es, keine Zigarette mehr zu haben. Ihm war nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, wieder zu Sunee in die Wohnung zu gehen. Ihm fiel seine Tochter Eva Lind ein. Zu Weihnachten war sie kurz zu Besuch gekommen, aber seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen. Der Mann, mit dem sie zusammenlebte, war kurz vor den Feiertagen in Litla-Hraun eingebuchtet worden, und sie glaubte ernsthaft, dass Erlendur sich für ihn einsetzen würde. Der Freund versorgte sie mit Dope. Er war zu drei Jahren Gefängnis wegen Imports von Kokain und Speed verurteilt worden, und unter den gegebenen Umständen sah Eva wohl schwierige Zeiten auf sich zukommen.
    Die Beziehung zwischen Eva Lind und Erlendur hatte sich in den vergangenen Monaten verschlechtert, doch Erlendur war nicht ganz klar, weshalb. Eva hatte schon seit Langem keinen Willen mehr gezeigt, von den Drogen wegzukommen, und solange dieser Zustand anhielt, entfernte sie sich immer mehr von ihm. Sie hatte eine Entziehungskur mitgemacht, aber nicht freiwillig, und war anschließend gleich wieder rückfällig geworden. Auch ihr Bruder Sindri hatte sich eingeschaltet, um sie zur Vernunft zu bringen, aber vergeblich. Die beiden Geschwister hatten sich immer gut verstanden, doch die Verbindung zwischen Vater und Tochter war problematisch und hing in erster Linie davon ab, in was für einer Verfassung sie war. Die seltenen Male, wo sie gut drauf war, war sie bereit, mit ihrem Vater zu reden. Dann kamen wieder Zeiten, wo sie nichts von sich hören ließ und nichts von ihm wissen wollte.
    Erlendur schloss den Ford Falcon ab und schaute an dem sechsstöckigen Monstrum von einem Haus hoch, das drohend in den Himmel ragte. Er nahm sich vor, mit dem Vermieter zu reden, in der Hoffnung, dass das ein Licht auf Sunees Verhältnisse werfen konnte. Er zögerte es noch etwas hinaus, zu ihr hochzugehen. Stattdessen begab er sich hinter das Gebäude. Die Untersuchungen am Tatort waren beendet, die Leute von der Spurensicherung hatten ihre Geräte zusammengepackt, und alles war wieder so, als sei nie etwas an diesem Ort geschehen.
    Noch einmal ging er zu dem Spielplatz hinüber. Der Frost war so schneidend, dass er die Hände tief in die Taschen bohrte. Lange Zeit stand er da, ohne sich zu bewegen. Im Lauf des Tages hatte er auch die Nachricht erhalten, dass Marian Briem, sein ehemaliger Boss, in die Abteilung für Palliativmedizin des Nationalkrankenhauses verlegt worden war. Marian Briem war schon seit vielen Jahren pensioniert. Jetzt ging es also auf das Ende zu. Ihre Beziehung Freundschaft zu nennen, wäre zu viel gesagt. Für Erlendur war sie eher eine Belastung gewesen, denn Marian Briem war fast die einzige Person in Erlendurs Leben, die ständig alles hinterfragt und von ihm gefordert hatte, ihm Rede und Antwort zu stehen. Marian Briem, das neugierigste Geschöpf unter der Sonne, eine lebendige Datenbank für isländische Kriminalfälle, war Erlendur nach der Pensionierung noch oft von Nutzen gewesen. Da Marian Briem keine Angehörigen hatte, stellte Erlendur Ersatz für alles dar, für Freunde, Kollegen und Familie.
    Der eisige Wind umpfiff Erlendur auf dem Spielplatz, wo Elías den

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