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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Gedanken hoch und nickte Sigurður Óli zu, der sich zu ihm in den Verhörraum setzte. Die Vernehmung konnte beginnen. Der Mann, der ihnen gegenübersaß, war Mitte vierzig und bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten, als er noch keine zwanzig war. Seine Vergehen waren unterschiedlich schwer gewesen, Einbrüche, Raubüberfälle und mitunter grobe Körperverletzungen. Er wohnte drei Häuser von Sunees Wohnblock entfernt. Die Polizei hatte eine Liste mit den Namen von allen Vorbestraften, die immer wieder rückfällig geworden waren und denen Elías auf dem Nachhauseweg von der Schule möglicherweise über den Weg gelaufen sein konnte. Derjenige, der jetzt vor ihnen saß, stand ganz oben auf der Liste.
    Die Polizei hatte eine Genehmigung zur Hausdurchsuchung, als er abgeholt wurde. Jede Menge illegaler Pornos waren zum Vorschein gekommen, unter anderem mit Kindern. Das reichte schon, um wieder einmal Anklage gegen ihn zu erheben.
    Der Mann, der Andrés hieß, blickte Erlendur und Sigurður Óli abwechselnd an und schien auf das Schlimmste gefasst zu sein. Man sah ihm an, dass er Alkoholiker war. Sein Gesichtsausdruck war stumpf, die kleinen Augen blickten unstet und fragend. Er war eher kleinwüchsig und wirkte gedrungen.
    Erlendur, der Andrés mehr als einmal festgenommen hatte, kannte ihn gut.
    »Weshalb belämmert ihr mich denn jetzt schon wieder?«, fragte Andrés, der nach einer langen Sauftour struppig und abgerissen aussah. »Was geht hier eigentlich ab?«
    Er versuchte, seine Stimme männlich klingen zu lassen, aber sie überschlug sich.
    »Kennst du einen Jungen namens Elías, der ganz in deiner Nähe wohnt?«, fragte Erlendur. »Ein dunkelhäutiger Junge thailändischer Abstammung. Zehn Jahre alt.«
    Das Tonbandgerät, das zwischen ihnen auf dem Tisch stand, surrte ein wenig. Im Hinblick auf den Zustand, in dem Andrés sich befunden hatte, als er nachts ins Untersuchungsgefängnis gebracht worden war, schien seine Aussage, nichts vom Mord an Elías gehört zu haben, durchaus glaubwürdig. Allerdings war andererseits kein Verlass auf das, was er von sich gab. So war es schon immer gewesen. »Ich weiß nichts über irgendeinen Elías«, sagte Andrés. »Wollt ihr mich verklagen? Wegen was soll’s denn diesmal sein? Ich hab nichts gemacht. Warum fallt ihr einfach über einen her?«
    »Mach dir keine Gedanken darüber«, sagte Sigurður Óli.
    »Von was für einem Elías redet ihr?«, fragte Andrés und sah Erlendur an.
    »Kannst du dich erinnern, wo du gestern am späten Nachmittag warst?«
    »Zu Hause«, antwortete Andrés. »Ich war zu Hause, und zwar den ganzen Tag, den ganzen Tag gestern, meine ich. Um was für einen Jungen geht es eigentlich?«
    »Ein zehnjähriger Junge wurde ganz bei dir in der Nähe erstochen«, antwortete Erlendur. »War gestern jemand bei dir, der deine Aussage bestätigen kann?«
    »Ein Junge wurde umgebracht?«, fragte Andrés sichtlich erschrocken. »Wer …? Erstochen?«
    »Weißt du überhaupt, was heute für ein Tag ist?«, erkundigte sich Erlendur.
    Andrés schüttelte den Kopf.
    »Ich muss dich bitten, ins Mikrofon zu sprechen«, schaltete sich Sigurður Óli ein.
    »Ich hab keine Ahnung. Ich habe keinen Jungen angegriffen, ich weiß nichts von einem Überfall. Ich weiß gar nichts. Ich habe nichts verbrochen. Könnt ihr einen nicht in Ruhe lassen?«
    »Aber du kennst den Jungen vielleicht?«, fragte Erlendur. Wieder schüttelte Andrés den Kopf, und Sigurður Óli deutete mit dem Finger auf das Aufnahmegerät.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Er hat einen fünf Jahre älteren Bruder«, sagte Erlendur. »Sie sind im letzten Frühjahr in das Viertel gezogen. Du lebst doch schon seit fünf Jahren dort und musst doch so ungefähr wissen, wer in der Nachbarschaft lebt. Du kriegst doch mit, was um dich herum passiert. Stell dich doch nicht so an!«
    »Anstellen! Ich hab überhaupt nichts gemacht.«
    »Kennst du diesen Jungen?«, fragte Erlendur, zog ein Foto von Elías aus der Jackentasche und reichte es Andrés.
    Er nahm es entgegen und betrachtete das Gesicht des Kindes lange.
    »Den kenn ich nicht«, sagte er.
    »Er ist dir nie über den Weg gelaufen?«, fragte Erlendur.
    Vor dem Verhör hatte Erlendur erfahren, dass bei der Hausdurchsuchung keinerlei Hinweise gefunden wurden, dass Elías oder Niran in der Wohnung gewesen waren. Andrés hatte sich jedoch sehr merkwürdig verhalten, als die Polizei sich gewaltsam Zutritt zu seiner Wohnung verschafft hatte. Auf das

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