Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
abends, die Jungen hatten sich mit Knüppeln bewaffnet, und ein paar Fensterscheiben gingen kaputt. Man hört ja hin und wieder von so etwas. Du wirst das sicherlich kennen.«
    »Ja, das tun wir«, antwortete Elínborg. »Meist geht es dabei um Mädchen.«
    »Kurz darauf zogen aber die beiden schlimmsten Rabauken von hier weg, und gleich wurde es viel ruhiger. Es braucht ja nur ein paar davon. Und dann haben Elías und Niran die Schule gewechselt, und ich habe keinen von beiden seitdem wieder gesehen. Und dann hört man auf einmal den Namen und alles in den Nachrichten und begreift überhaupt nicht, wie es dazu kommen konnte.«
    Emilía sprach rasch, ihre Worte überstürzten sich beinahe. Elínborg hatte nicht vor, sich zu dem Fall äußern, und ging nicht auf ihre Frage ein, wie es den Brüdern ergangen sei, nachdem sie umgezogen waren, oder auf Fragen nach Sunees Privatleben. Emilía war von Natur aus neugierig und machte keinen Hehl daraus. Elínborg fand sie sympathisch, aber da sie nichts preisgeben durfte, antwortete sie nur ausweichend, dass sich die Ermittlungen noch im Anfangsstadium befänden. Emilías Neugierde war verständlich, denn der Mord an Elías war das beherrschende Thema in den Medien. Die Polizei hatte die Aussagen von zahlreichen Menschen zu Protokoll genommen, wahrscheinlich an die hundert im ganzen Viertel, in den umliegenden Wohnblocks, in der Schule, in den Geschäften und Kiosken. Man zeigte ihnen Bilder von Elías und versuchte, so genau wie möglich herauszufinden, was er an diesem Tag unternommen hatte. Zeugen, die ihn eventuell auf dem Schulweg hätten gesehen haben können, waren gebeten worden, sich zu melden, aber dabei war noch nichts Zuverlässiges herausgekommen. Das Einzige, was die Kriminalpolizei sicher wusste, war, dass Elías allein die Schule verlassen hatte und direkt nach Hause wollte, aber dann wohl unterwegs angegriffen worden war.
    Elínborg lächelte und sah auf die Uhr. Sie bedankte sich für die informativen Antworten. Emilía begleitete sie den Korridor entlang zu einer der Außentüren. Dort gaben sie sich die Hand.
    »Ihr wisst also noch gar nichts?«, fragte Emilía.
    »Nein«, antwortete Elínborg. »Wir wissen noch gar nichts.«
    »Also dann«, sagte Emilía. »Ich muss nämlich … Ist Sunee noch mit ihrem Mann zusammen?«
    »Nein.«
    »Ich frage wegen einer anderen Zeichnung von Elías«, beeilte sich Emilía zu sagen. »Auf dem Bild war auch seine Mutter zu sehen. Er hat sie sehr häufig gemalt. Hierauf war an ihrer Seite jedoch noch ein Mann. Das Bild stammt aus diesem Frühjahr, nachdem sie schon umgezogen waren, aber die Jungen noch hier zur Schule gingen. Ich kann mich erinnern, dass ich Elías spontan gefragt habe, wer das denn sei. Das kam mir in diesem Moment so in den Sinn.«
    Ja, das kann ich mir vorstellen, dachte Elínborg. Es hatte ganz den Anschein, als sei Emilía sich selber darüber im Klaren, wie neugierig sie war.
    »Und er hat geantwortet, dass es ein Freund seiner Mutter sei.«
    »Tatsächlich?«, sagte Elínborg. »Hast du den Jungen gefragt, wie er hieß?«
    »Ja, das habe ich«, entgegnete Emilía lächelnd, »aber Elías sagte, er wüsste es nicht. Oder er hat mir vielleicht den Namen nicht nennen wollen.«
    »Und dieser Mann auf der Zeichnung, wie …?«
    »Hätte gut ein Isländer sein können.«
    »Ein Isländer?«
    »Ja. Ich wollte nicht aufdringlich sein. Ich erinnere mich, dass es mir so vorkam, als würde Elías ihn mögen.«
    Im Verhörraum lehnte Andrés sich zurück. Man hörte ein leises Klicken, als das Tonband abgelaufen war. Sigurður Óli streckte die Hand nach dem Apparat aus, drehte die Kassette um und setzte das Gerät wieder in Gang. Erlendur behielt Andrés die ganze Zeit im Auge.
    »Was meinst du damit, ein Albtraum, den du nicht loswirst?«, fragte er. »Was willst du damit sagen?«
    »Ich bezweifle, dass du es hören möchtest«, entgegnete Andrés. Ich bezweifle, dass irgendjemand so etwas Schreckliches hören möchte.«
    »Was ist das für ein Mann?«, fragte Sigurður Óli. »Und willst du damit sagen, dass er dir etwas angetan hat?«
    Andrés schwieg.
    »Willst du damit sagen, dass es sich um einen Kinderschänder handelt?«, fragte Erlendur.
    Andrés saß stumm da und blickte Erlendur an. »Ich hatte ihn jahrelang nicht gesehen«, sagte er schließlich. »Und auf einmal plötzlich … Es ist wahrscheinlich ein Jahr her.«
    Wieder verstummte Andrés.
    »Und was weiter?«
    »Es war, als träfe man seinen

Weitere Kostenlose Bücher