Frostnacht
kamen. Die Freunde hatten keinerlei Zweifel daran, dass ihre Liebe zu dem neuen Mann echt war, und sie erklärten, die frühere Ehe sei gescheitert gewesen. Sie selbst war aber »ganz verändert«, wie eine Freundin es ausdrückte. Als Erlendur um eine nähere Erklärung bat, stellte sich heraus, dass die Frau nach der Scheidung ziemlich exaltiert gewesen war, sie redete über ein ganz neues Leben und dass sie sich nie besser gefühlt hätte. Die Hochzeit wurde riesengroß gefeiert, ein besonders beliebter Pfarrer nahm die Trauung vor, und viele Freunde und Bekannte freuten sich an einem schönen Sommertag mit den Brautleuten. Anschließend fuhren sie drei Wochen in die Toskana, von wo sie erholt, braun gebrannt und glückstrahlend zurückkehrten.
Das Einzige, was bei dieser prächtigen Hochzeit fehlte, waren ihre Kinder. Ihr früherer Mann weigerte sich, sie an »dieser Farce« teilnehmen zu lassen.
Schon nach relativ kurzer Zeit war das Hochgefühl aus der Beziehung verschwunden und hatte sich in sein Gegenteil verkehrt. Die Freundinnen beschrieben den Zustand so, dass die Frau nach und nach in Trauer und Reue versank und schließlich unter schweren Schuldgefühlen litt. Dazu trug nicht unwesentlich bei, dass die Exfrau ihres neuen Mannes sie ständig beschuldigte, ihre Familie zerstört zu haben. Seine Kinder zogen zu ihnen und erinnerten sie ständig an ihre Verantwortung, während sie gleichzeitig um ihre eigenen Kinder kämpfen musste. Die Folge war, dass sie in quälende Depressionen verfiel.
Es war nicht die erste Scheidung ihres neuen Mannes wegen eines Seitensprungs gewesen. Erlendur fand heraus, dass er dreimal geheiratet hatte. Seine erste Frau lebte in Hafnarfjörður, sie hatte schon vor langer Zeit wieder geheiratet und ein Kind mit diesem Mann bekommen. Bei ihnen hatte sich der gleiche Prozess nach dem gleichen Muster abgespielt. Der Mann hatte die Tatsache, dass er immer seltener zu Hause war, mit Besprechungen, Dienstreisen und Golfturnieren erklärt. Eines Tages aber verkündete er ihr völlig überraschend, dass es nun zu Ende sei, sie hätten sich auseinandergelebt und er habe vor, auszuziehen. Das brach über die Frau herein wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie hatte nicht wahrgenommen, dass die Beziehung abgekühlt war, sondern ihr war nur seine häufige Abwesenheit aufgefallen.
Erlendur unterhielt sich ebenfalls mit Ehefrau Nummer zwei. Sie hatte nicht wieder geheiratet, und Erlendur merkte ihr an, dass sie die Scheidung immer noch nicht verwunden hatte. Sie beschrieb ihm ganz genau, was sich abgespielt hatte, und machte sich selber Vorwürfe, keinen Argwohn geschöpft zu haben. Erlendur ergriff ihre Partei und erklärte, sie könne wahrscheinlich von Glück reden, ihn losgeworden zu sein. Sie lächelte schwach. »Ich denke vor allem an die Kinder«, sagte sie. Sie sagte, sie hätte nicht gewusst, dass er verheiratet war, als er seine ersten Annäherungsversuche machte. Erst als die Beziehung bereits einige Monate bestand, erklärte er ihr sehr verlegen, dass er ihr etwas sagen müsse. Sie befanden sich in einem kleinen Hotel auf dem Land, er hatte sie dazu eingeladen, eine Nacht mit ihm zu verbringen. Abends im Speisesaal eröffnete er ihr, verheiratet zu sein. Als sie ihn ungläubig anstarrte, beeilte er sich, ihr zu versichern, dass seine Ehe gescheitert sei, es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann er seine Frau verließe, und sie wisse das auch. Sie machte ihm schwere Vorwürfe, ihr nichts von einer Ehefrau gesagt zu haben, aber es gelang ihm, sie zu beruhigen und sie wieder auf seine Seite zu ziehen.
Diese Aussagen und das, was er von anderen Leuten, die mit der verschwundenen Frau in Verbindung gestanden hatten, erfahren hatte, führten dazu, dass Erlendur dem Ehemann nicht über den Weg traute. Je mehr Zeit verstrich, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau Selbstmord begangen hatte, und die Tatsache, dass sie unter Depressionen gelitten hatte, unterstützte diese Theorie. Der überraschende Anruf ließ aber in Erlendur wieder die Hoffnung aufkommen, dass sie ihren Mann nur verlassen hatte und nicht wollte, dass er ihren Aufenthaltsort erfuhr, dass sie sich versteckt hielt und nicht wusste, an wen sie sich wenden sollte.
Es waren nur zwei Jahre seit der wunderbaren Hochzeit vergangen, als die Frau einer Freundin anvertraute, dass ihr Mann an den Wochenenden an Golfturnieren teilnahm, von denen sie nie etwas gehört hatte.
Erlendur schreckte aus seinen
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