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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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dass der Grund dafür etwas sein kann, was von dir ausging?«
    »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Óðinn. »Es war natürlich ein ganz schöner Schock, als ich von seiner Existenz erfuhr. Und dann hat sie ihn nach Island geholt. Da habe ich mich aber nicht eingemischt.«
    »Weswegen habt ihr euch scheiden lassen?«, fragte Sigurður Óli.
    »Weiß nicht, es war wohl einfach zu Ende.«
    »Also aus keinem bestimmten Grund?«
    »Vielleicht. Aus verschiedenen Gründen, genau wie in anderen Ehen. Man lässt sich scheiden und fängt wieder von vorne an. So ist es halt. Sunee ist eine selbstständige Frau. Sie weiß, was sie will. Manchmal haben wir uns wegen der Jungen gestritten, vor allem wegen Elías. Sie wollte, dass er Thailändisch sprach. Ich habe gesagt, dass ihn das durcheinanderbringen würde und dass er in erster Linie Isländisch können müsse.«
    »Ging es nicht eher darum, dass du Angst davor hattest, sie nicht zu verstehen? Nicht mehr der Herr im Hause zu sein? Außen vor zu sein?«
    Óðinn schüttelte den Kopf. »Sunee fühlt sich in Island wohl, nur das Wetter stört sie manchmal. Sie kann ihre Familie in Thailand unterstützen, und sie hat enge Verbindung zu ihren Leuten. Sie möchte ihre Wurzeln nicht verlieren.«
    »Geht uns das nicht allen so?«, fragte Erlendur.
    Eine Weile herrschte Schweigen.
    »Du glaubst also nicht, dass Niran sich deinetwegen versteckt?«, wiederholte Erlendur.
    »Auf keinen Fall«, erklärte Óðinn. »Ich hab ihm nie was getan.«
    In Erlendurs Tasche klingelte das Handy. Es dauerte eine ganze Weile, bis er begriff, wer der Mann in der Leitung war. Er hieße Egill, sie hätten sich vor Kurzem im Auto miteinander unterhalten. Der Werklehrer.
    »Ja, guten Morgen«, sagte Erlendur, als der Groschen endlich fiel.
    »Also so was, das kommt hier eigentlich ständig vor«, sagte Egill. Erlendur sah ihn vor sich mit seinem Bart, im Auto sitzend und rauchend. »Und ich weiß auch nicht, ob es eine Rolle spielt«, fuhr Egill fort. »Ich wollte aber trotzdem mit dir reden.«
    »Worum geht es denn?«, fragte Erlendur. »Was kommt ständig vor?«
    »Diese Messer werden hier dauernd geklaut«, sagte Egill. »Was für Messer?«
    »Na, die Schnitzmesser«, sagte Egill. »Deswegen weiß ich auch nicht, ob euch das weiterhilft.«
    »Was ist los? Was ist passiert?«
    »Ich kontrolliere sie aber immer«, sagte Egill, als hätte er die Frage nicht gehört. »Ich passe gut auf die Messer auf. Sie sind nicht billig. Ich habe sie neulich gezählt, vor zwei Wochen etwa, aber jetzt habe ich festgestellt, dass eins verschwunden ist. In dem Kasten fehlt ein Schnitzmesser. Das war eigentlich alles, was ich dir sagen wollte.«
    »Und?«
    »Und nichts. Ich habe nicht herausgefunden, wer der Dieb war, oder so. Ich wollte dir bloß sagen, dass ein Messer im Kasten fehlt. Ich dachte, es würde dich interessieren.«
    »Selbstverständlich«, sagte Erlendur, »und danke, dass du mir Bescheid gesagt hast. Wer stiehlt denn solche Messer?«
    »Na, wahrscheinlich die Schüler.«
    »Ein bestimmter? Hast du jemals einen erwischt? Handelt es sich immer wieder um dieselben Schüler, oder …«
    »Willst du nicht einfach herkommen und es dir selbst anschauen?«, fragte Egill. »Ich bin heute den ganzen Tag hier.«
    Zwanzig Minuten später parkten Erlendur und Sigurður Óli das Auto vor der Schule. Der Unterricht war in vollem Gange, und auf dem Schulhof herrschte gähnende Leere. Egill war im Werkraum. Neun Kinder waren an den Werktischen mit Holzarbeiten beschäftigt, sie hantierten mit Meißeln und kleinen Sägen, hörten aber damit auf, als Erlendur und Sigurður Óli eintraten. Egill warf einen Blick auf seine Armbanduhr und erklärte den Schülern, dass sie zehn Minuten eher aufhören dürften. Die Kinder starrten Egill verwundert an, als könnten sie es nicht fassen, dass er ihnen einen derartigen Vorschlag gemacht hatte. Dann aber kapierten sie und begannen, alles zusammenzuräumen. Der Werkraum leerte sich innerhalb weniger Minuten.
    Egill macht die Tür hinter den Kindern zu und musterte Sigurður Óli eine ganze Weile.
    »Habe ich dich nicht irgendwann mal unterrichtet?«, fragte er, während er zu einem Schrank in der Ecke ging, sich bückte und einen Holzkasten herausnahm, den er auf den Tisch stellte.
    »Ich war vor vielen Jahren an dieser Schule«, sagte Sigurður Óli. »Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnern kannst.«
    »Doch, ich kann mich an dich erinnern«, sagte Egill. »Du

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