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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Äußerlich war ihm nichts anzumerken, aber innerlich fühlte er sich manchmal immer noch so wie an jenem Abend, als der Bezirksamtmann unerwartet zu Besuch gekommen war und vor dem Mann mit dem Filetiermesser gewarnt hatte.
    Erlendur war tief in seine Erinnerungen versunken. Er starrte zum Fenster hinaus in die Finsternis und wünschte sich, die Sterne sehen zu können.
    »Diese schweren Tage«, sagte er zu sich selbst.
    Er lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen.
    All diese schweren Tage …

Einundzwanzig
    Erlendur hörte im Schlaf das Klingeln des Telefons und brauchte lange, um wach zu werden. Er war in seinem Sessel eingeschlafen, und ihm taten sämtliche Knochen weh. Er sah auf seine Uhr, es war schon nach neun. Er warf einen Blick aus dem Fenster, und einen Augenblick lang war er sich nicht sicher, ob es Nacht oder Tag war. Als das Klingeln nicht aufhören wollte, stand er langsam auf und ging an den Apparat.
    »Hast du etwa noch geschlafen?«
    Sigurður Óli war als Frühaufsteher bekannt. Er trat seinen Dienst meist lange vor allen anderen an und hatte dann bereits etliche Bahnen in einem der vielen Schwimmbäder von Reykjavík und ein nahrhaftes Frühstück hinter sich.
    »Was ist denn los?«, fragte Erlendur schlaftrunken.
    »Ich kann dir ein neues Müsli empfehlen, das ich heute Morgen probiert habe, das baut einen für den Tag auf.«
    »Sigurður.«
    »Ja?«
    »Wolltest du mir etwas sagen, bevor ich …?«
    »Es geht um die Autokratzer«, beeilte Sigurður Óli sich zu sagen.
    »Was ist damit?«
    »In unmittelbarer Nähe der Schule wurden in den vergangenen Tagen drei andere Autos auf dieselbe Weise beschädigt«, sagte Sigurður Óli. »Das hat sich bei einer Besprechung hier herausgestellt, auf der man dich sehr vermisst hat.«
    »Sind die Beschädigungen identisch?«
    »Ja, es wurde der Länge nach an der Seite entlanggeritzt.«
    »Wissen wir, wer dahintersteckt?«
    »Nein, noch nicht. Die von der Spurensicherung nehmen sich die anderen Autos vor, falls sie noch nicht wieder repariert worden sind. Möglicherweise handelt es sich um dasselbe Werkzeug. Ansonsten: Kjartan hat sein Einverständnis gegeben, dass wir uns seinen Volvo näher anschauen. Er sagt, dass Elías nie an seinem Auto gewesen ist, aber ich denke, wir gehen da besser ganz auf Nummer sicher.«
    »Ist er kooperativ?«, fragte Erlendur.
    »Es geht so. Aber da ist noch was.«
    »Mensch, bist du fleißig gewesen. Liegt das an deinem Müseli?«
    »Müsli«, korrigierte Sigurður Óli. »Vielleicht sollten wir die Verbindung zwischen Niran und seinem Stiefvater etwas näher in Augenschein nehmen.«
    »Warum das?«
    Erlendur wachte allmählich auf. Es war ihm peinlich, dabei erwischt zu werden, verschlafen zu haben, und ihm war klar, dass Sigurður Óli ihn zu Recht aufzog.
    »Elínborg meint, dass wir uns noch einmal intensiver mit Óðinn unterhalten sollten. Ich werde mich darum kümmern und ihn wegen Niran befragen.«
    »Ist er denn zu Hause?«
    »Ja, ich habe vorhin angerufen.«
    »Wir treffen uns bei ihm.«
    Óðinn sah müde aus. Seine Augen waren gerötet, und er klang heiser. Er hatte sich ein paar Tage Urlaub genommen und schaute hin und wieder zusammen mit seiner Mutter bei Sunee vorbei, harrte aber die meiste Zeit zu Hause aus und wartete auf neue Nachrichten. Er führte Erlendur und Sigurður Óli ins Wohnzimmer, ging in die Küche und setzte Kaffee auf.
    »Erzähl uns etwas über Niran«, sagte Erlendur, als Óðinn wieder ins Wohnzimmer kam.
    »Was mit Niran?«
    »Was ist er für ein Junge?«
    »Ein ganz normaler Junge«, antwortete Óðinn. »Sollte er etwa …? Was meinst du eigentlich?«
    »War die Beziehung zwischen euch gut?«
    »Das kann man wohl kaum sagen. Ich habe mich nicht um ihn gekümmert.«
    »Weißt du, ob der Junge in letzter Zeit irgendwelchen Ärger gemacht hat?«
    »Ich habe eigentlich keine Verbindung zu ihm gehabt«, erklärte Óðinn.
    »Gab es für Niran vielleicht einen Grund, warum er sich dir gegenüber so feindselig verhalten hat?«, fragte Erlendur. Er überlegte, ob er die Frage vielleicht etwas geschickter hätte formulieren können. Vielleicht war sie plump und unfair.
    Óðinn sah von einem zum anderen. »Er hat sich mir gegenüber nicht feindselig verhalten«, sagte er. »Zwischen uns war alles in Ordnung. Er hat sich nicht um mich gekümmert beziehungsweise ich mich nicht um ihn.«
    »Glaubst du, dass er sich möglicherweise deinetwegen versteckt?«, fragte Erlendur. »Glaubst du,

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