Frozen Time (German Edition)
gar nicht. Aber immerhin gibt sie plötzlich ihre ablehnende Haltung auf.
»Und wofür braucht ihr die Insignals?«, fragt sie.
»Wir wollen ins ForschungsCenter«, erklärt Milo, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. »Damit Tessa ihren Freund finden kann.« Ich bin mir sicher, dass nur ich das kleine Zögern vor dem Wort
Freund
bemerkt habe.
»Na ja«, sagt Kaya. »Ich habe es noch nie ausprobiert. Aber möglich wäre es wahrscheinlich schon.« Es ist ihr deutlich anzumerken, dass die technische Herausforderung sie reizt.
»Würdest du es versuchen?«, fragt Milo und zwinkert Kaya zu. Ich sollte ihm dankbar sein, dass er sich bei Kaya für mein Vorhaben einsetzt, stattdessen muss ich fest die Zähne zusammenbeißen, damit mir keine böse Bemerkung herausrutscht. Beherrsch dich, Tessa!
»Okay.« Kaya dehnt das Wort in die Länge und lächelt Milo breit an. Mir wird richtig schlecht dabei.
»Aber erst mal wird gefrühstückt«, mischt Robin sich ein undwirft eine Handvoll Brotreste schwungvoll in eine große Schüssel.
»Ich nehme nur ein Glas Wasser«, stelle ich klar.
Wir müssen verrückt sein, denke ich, als wir einige Stunden später vor dem Portal des ForschungsCenters stehen. Es handelt sich um ein monumentales Bauwerk mit riesiger Glasfront. Ich erinnere mich an dieses gewaltige, nüchterne Gebäude, dessen Zugangsdaten auf meinem Insignal gespeichert waren. Ich erinnere mich, dass ich durch die gläsernen Eingangstüren gegangen bin, Tag für Tag, und dann, ein letztes Mal, um mich als Probandin für die Verjüngung zur Verfügung zu stellen. Ob ich dabei hoffnungsvoll war oder ängstlich? Daran erinnere ich mich nicht.
»Bist du bereit?«, höre ich Milo neben mir fragen.
Bin ich das? Werde ich das jemals sein?
»Ja.« Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
»Dann los.«
Mit einer entschlossenen Bewegung streicht Milo sich die Haare aus der Stirn und setzt eine ebenso entschlossene Miene auf. Ach, könnte ich in diesem Moment doch auch so selbstsicher sein! Nebeneinander gehen wir auf das Eingangsportal zu.
Ich versuche, ruhig zu atmen. Ein. Aus. Ein. Aus. Mein Herz trommelt in meiner Brust, mit jedem Schritt, den wir auf die gläsernen Türen zugehen, wird sein Schlagen stärker. Das Insignal, das provisorisch befestigt um mein linkes Handgelenk liegt, fühlt sich eiskalt auf meiner Haut an und so schwer, dass es meinen Arm nach unten zu ziehen scheint.
Es müsste funktionieren, hat Kaya gesagt. Sie habe die Zugangscodesauf unseren Insignals so weit wie möglich wiederhergestellt. Meine Chancen, als ehemalige Mitarbeiterin bei
Projekt Frozen Time
ins ForschungsCenter zu gelangen, stehen also gut, und auch für Milo als Elite-Medi-Schüler sollte das keine Schwierigkeit darstellen. Das einzige Problem, das wir nicht umgehen können, ist, dass in dem Moment, wo wir das Gebäude betreten, unsere Zugangsdaten erfasst werden. Sprich: Der Sicherheitsdienst des Gebäudes wird wissen, dass wir hineinspaziert sind – und es vermutlich relativ schnell den Officern melden. Zumindest vermuten wir das. Wir haben nur keine Ahnung, wie viel Zeit uns im Gebäude bleiben wird, bevor sie nach uns suchen.
»Meinst du, es wird klappen?«, raune ich Milo zu, als uns nur noch wenige Schritte vom Eingangsportal trennen. Ich muss mich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
»Wir werden es gleich herausfinden«, antwortet Milo und steuert zielstrebig auf das Portal zu. Die gläsernen Türen gleiten lautlos auf, direkt vor mir geht Milo hindurch. Ich halte die Luft an.
Nichts passiert.
Die Glastüren schließen sich wieder hinter Milo.
»Komm.« Ich sehe nur die Bewegung seiner Lippen. Atme noch einmal tief durch. Und trete vor die Glastüren. Sie gleiten zur Seite und lassen mich hindurch.
»Herzlich willkommen bei
Projekt Frozen Time
«, sagt eine sanfte Stimme neben mir. Erschrocken wende ich mich der Stimme zu, dann sehe ich Milo spöttisch grinsen und begreife: Es war nur der Scanner, der unser Eintreten erfasst hat.
Milo trägt den blauen Medi-Kittel, den er anhatte, als wir vorden Officern aus seinem Appartement flüchten mussten. Ich selbst habe so lange in den Kleidercontainern gewühlt, bis ich ebenfalls einen solchen Kittel gefunden habe. Er ist mir ein ganzes Stück zu groß, aber ich hoffe, dass das niemandem auffallen wird. Meine Perücke habe ich so lange gekämmt, bis die Haare wieder glatt und glänzend waren. Trotzdem juckt sie noch immer auf meiner Kopfhaut, und ich
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