Frozen Time (German Edition)
Wahrheit zu erzählen.
»Die Stammzelltherapie, die Rose mit ihrem Team entwickelt hat, kann weit mehr, als wir angenommen hatten«, erkläre ich. »Mit dieser Methode lassen sich Menschen nicht nur erwecken, sondern auch verjüngen.« Doreen nickt verstehend, auf ihrem Gesicht spiegelt sich Faszination. Sie ist eine überzeugte Anhängerin der medizinischen Forschung, so wie ich es auch immer war.
»Sie brauchten Probanden, da habe ich mich bereit erklärt, bei der ersten Versuchsreihe mitzumachen. So wie Rose auch, ihr habt sie sicher schon vermisst, oder?«
Ein schelmisches Lächeln huscht über Doreens Gesicht, sie konnte unsere Konkurrentin ebenso wenig leiden wie ich, doch das Lächeln ist sofort wieder verschwunden.
»Warum hast du mir nichts davon erzählt?«, fragt Doreen.
»Ich durfte nicht«, erkläre ich ihr eilig. »Das Projekt war streng geheim.« Ich zucke entschuldigend mit den Schultern. Ich erinnere mich, wie schwer es mir gefallen ist, Doreen nichts über die geplante Verjüngung zu erzählen. Doch die Drohung, Finns Apparate abzuschalten, hat mir so große Angst gemacht, dass ich den Mund gehalten habe.
»Ich fasse es nicht!«, sagt Doreen und betrachtet mich noch einmal staunend von oben bis unten. »Ein junges Mädchen … Genau wie damals!«
Ich lächle gequält. »Etwas ist schiefgegangen«, fahre ich fort. »Nach dem Eingriff litt ich unter Amnesie. Und die anderen Probanden ebenfalls. Sie haben uns in ein anderes MediCenter geschafft; ich denke, sie wollten sichergehen, dass niemand den Zusammenhang zu
Projekt Frozen Time
herstellen kann. Dort bin ich ohne Erinnerung aufgewacht. Als ich dann anfing, mich zu erinnern, da … ist etwas Schreckliches passiert … ich musste fliehen.« Ich bringe es nicht fertig, Doreen zu erzählen, dass die Medis mich einer Gehirnwäsche unterziehen wollten.
»Aber warum bist du hier, wozu brauchst du meine Hilfe?« Das ist typisch Doreen. Sie merkt, dass ich darüber nicht sprechen will, deshalb bohrt sie nicht nach. Ich bin plötzlich von großer Dankbarkeit erfüllt, weil ich eine Freundin wie sie habe, eine Freundin, der ich vertrauen kann und die mir vertraut. So war es früher und so scheint es immer noch zu sein!
»Finn«, sage ich schlicht.
»Finn? Dein Freund?«, fragt Doreen.
Ich nicke. Doreen weiß, dass Finn an den Pocken erkrankt ist und dass sein Körper gekühlt wurde. Ich habe ihr nur nie erzählt, wie es dazu kam.
»Finn ist in Gefahr«, versuche ich zu erklären. »Ich habe damals gezögert, als Timeus Meyer zu mir kam und mir anbot, als eine der ersten Probanden von der Möglichkeit der Verjüngung zu profitieren.«
»Timeus Meyer?«, echot Doreen perplex. »Der Projektleiter von
Frozen Time
?«
»Natürlich«, sage ich trocken. Auch wenn mir erst jetzt gerade wieder Fetzen aus meinem Gespräch mit dem Leiter von
Frozen Time
einfallen, der normalerweise kaum ein Wort für seineMitarbeiter übrig hat, verwundert es mich kein bisschen, dass er das Versuchsprojekt Verjüngung selbst überwacht hat, denn wer, wenn nicht er, sollte ein solches Geheimprojekt steuern?
»Und er hat mir gedroht, Finn aus
Projekt Frozen Time
auszuschließen. Seine Apparate abzuschalten. Ihn zu töten!«
Ich sehe Doreen tief Luft holen, meine Worte müssen ihr Weltbild erschüttern, doch sie glaubt mir, stelle ich erleichtert fest, und reagiert mit der ihr eigenen schnellen Auffassungsgabe.
»Wir sollten zunächst mal die Liste kontrollieren«, schlägt sie vor.
»Welche Liste?«, will Milo wissen.
»Die Liste mit den Namen und Daten aller
Frozen
«, erkläre ich ihm, während Doreen bereits ihr SmartSet startet. »Über meinen Account dürfte das eigentlich kein Problem darstellen.« Schnell drehe ich mich um, als die Daten auf dem ReflektoScreen hinter mir erscheinen. Doreen gibt ihr Passwort ins SmartSet ein, die Datenstruktur verschwimmt und macht einer langen Liste Platz. Doreens Zeigefinger fährt durch die Luft, die Namen scrollen hoch. Meine Augen kleben auf den Buchstaben und erfassen jedes kleine Holo, auf dem das Gesicht eines
Frozen
zu sehen ist.
»Da!«, rufe ich. Tatsächlich. Fast am Ende der langen Liste erscheint das Gesicht, auf das ich die ganze Zeit gewartet habe, das Gesicht, das mir aus meinen Erinnerungen so vertraut ist. Erleichterung durchflutet mich. Finn ist dabei. Das Holo ist genauso unscharf wie im Hirnscanner, und endlich verstehe ich auch, warum: Es ist aus mehreren zweidimensionalen Fotografien
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