Frozen Time (German Edition)
öffnet, als wir auf sie zueilen. Mit jedem Schritt, den wir uns von dem O P-Bereich entfernen, kann ich wieder etwas besser atmen. Wichtig ist, dass wir so schnell wie möglich hier rauskommen. Ich reiße mich zusammen,verdränge alle verstörenden Gedanken und hetze hinter Milo her, der nun die Führung übernommen hat. Ich bin überrascht, wie gut es mir gelingt, mich selbst unter Kontrolle zu halten.
Schon erreichen wir die Tür, schlüpfen hindurch, sie gleitet hinter uns zu und verschmilzt mit der Wand. Eine Geheimtür! Von dieser Seite ist nicht zu erkennen, dass sich dort überhaupt eine Tür befindet. Erst jetzt wird mir richtig klar, dass die gesamte Intensivstation mit dem Operationsbereich offensichtlich streng geheim gehalten wird und nur eingeweihte Medis davon wissen können. In dem kleinen Raum, in dem wir nun stehen, befindet sich auf der einen Seite der Zugang zum Lift, auf der anderen die Schiebetür einer Schleuse – dort muss tatsächlich endlich der Kryoraum liegen. Zu meiner Überraschung steht die Schleusentür einen Spalt offen, und als ich nach unten schaue, sehe ich auch warum. Ein nackter Fuß blockiert sie.
Milo hat die Situation schneller erfasst als ich. Mit der flachen Hand streicht er durch den Türspalt und aktiviert damit den Bewegungssensor, die Tür gleitet auf. Am Boden liegt ein Bündel Mensch, aus dem weißen Patientenkittel ragt ein schmaler Kopf heraus, kahl und bleich, genau wie bei den Patienten auf der geheimen Intensivstation, die wir eben entdeckt haben. Es ist ein Mädchen, erkenne ich beim Blick in das ausgemergelte Gesicht, es hat die Augen geschlossen und atmet flach, aus der Nase läuft Blut und tropft auf den weißen Kittel, das Insignal am linken Handgelenk blinkt in kurzen Abständen rot auf. Jetzt begreife ich, was den Alarm ausgelöst haben muss, den wir auf der Station gehört haben. Das Mädchen ist irgendwie aus seinem Bett geflüchtet und genau in dem Moment durch die Schleusentürgelangt, als die Sicherheitssysteme abgeschaltet wurden, doch dann ist es zusammengebrochen.
»Sie ist bewusstlos.« Milo hat sich zu dem Mädchen gebeugt und fühlt am Hals ihren Puls. »Und jetzt?«
»Was, und jetzt?«
»Wir können sie wohl kaum hier liegen lassen.«
»Nein, wohl nicht.«
Er schiebt seine Arme unter den Körper des Mädchens und hebt ihn hoch, als würde er kaum etwas wiegen. Schlaff hängt der Leib in seinen Armen. Als der Fuß die Schleusentür nicht mehr blockiert, schließt sie sich automatisch und auf der anderen Seite der Schleuse öffnet sich eine weitere Tür.
Heftiges Frösteln erfasst meinen Körper, als wir sie durchqueren, und das liegt nicht nur an der deutlich niedrigeren Umgebungstemperatur. Wir haben den Kryoraum betreten.
»Wow!«, entfährt es Milo, für einen Augenblick bleibt er wie festgewachsen stehen. Ich würde ihm zustimmen. Der Anblick der über hundert glänzenden Kryoboxen, die in mehreren Reihen in einem riesigen Halbkreis um ein gigantisches Datenterminal in der Mitte des Raumes angeordnet sind, ist überwältigend. Aber mich lässt er nur erschauern. Dicke Versorgungsleitungen laufen am Boden aus dem Terminal zu den Kryoboxen, das grelle Licht zahlloser Deckenstrahler funkelt auf den gewölbten Glaskuppeln. Ich weiß, dass darunter die
Frozen
liegen müssen. Alles in mir schreit danach, mich sofort auf die Suche nach Finn zu machen, aber ich weiß, dass dafür keine Zeit bleibt. Wir haben enormes Glück gehabt, dass uns die Officer nicht längst geschnappt haben, aber jetzt müssen sie jeden Moment hier sein.
»Wie kommen wir hier raus?«, frage ich verzweifelt.
»Hm.« Beinahe unwillig wendet Milo sich von den Kryoboxen ab und ruckt mit dem Kinn in Richtung der anderen Seite des Raumes, wo mehrere längliche Behälter vor einem Fließband aufgereiht stehen. »Damit.«
Als ich begreife, was er mir da zeigt, erfasst mich wieder ein heftiger Schauder. »Das sind Kremacontainer«, stoße ich hervor.
»Ja.« Milo nickt.
»Darin werden Verstorbene zum Krematorium transportiert«, füge ich hinzu, nur für den Fall, dass Milo seinen Vorschlag ernst meint. Ich spüre Übelkeit aufsteigen, als mir klar wird, warum die Container hier in so großer Zahl bereitstehen. Doch Milo ist zumindest äußerlich die Ruhe in Person.
»Ja«, erwidert er wieder.
»Und du meinst, wir sollen da reinklettern und uns selbst entsorgen?«, frage ich, um sicherzugehen, dass ich seine Absichten richtig verstehe. »Das ist verrückt.«
»Aber
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