Frozen Time (German Edition)
es ist die einzige Möglichkeit.« Milo legt das reglose Mädchen in einer der Boxen ab, die gerade groß genug sind, dass ein menschlicher Körper darin Platz findet, und schließt den Deckel über dem Container.
»Bist du bereit?«, wiederholt Milo seine Worte von vorhin und macht sich eilig an der Bedienung der Entsorgungsanlage zu schaffen. Wieder zögere ich, werfe einen letzten Blick durch den ganzen Raum und nehme aus dem Augenwinkel Schatten in der Schleuse war. Ich gebe mir einen Ruck und klettere in einen der Kremacontainer. Als Milo den Deckel über mir schließt und Dunkelheit mich umfängt, habe ich augenblicklich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ich spüre die Bewegung der Kiste, die über das Band geschoben wird, spüre, wie sie ins Rutschengerät und dann von den Greifarmen eines Roboters aufgefangen und abgelegt wird. Mein ganzer Körper ist starr; unfähig, mich zu bewegen, warte ich, bis sich der Deckel endlich wieder öffnet und Milo mich etwas schief angrinst.
»Hatte ich mir schlimmer vorgestellt«, stellt er fest.
Ich verkneife mir die Bemerkung, dass ich mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen kann. Dann befreien wir das noch immer bewusstlose Mädchen und treten unsere Flucht durch das schier endlose Labyrinth der Keller an.
Dank eines schnellen Entsorgungsroboters haben wir es geschafft, den Officern erneut zu entkommen. Als wir schließlich im Lager der Abgetauchten eintreffen, ist das Mädchen noch immer nicht bei Bewusstsein. Kaum hat Milo sie vorsichtig auf eins der zerschlissenen Sofas gleiten lassen, scharen sich die anderen um uns.
»Was habt ihr uns denn da mitgebracht?«, fragt Robin forsch. Sein Blick wandert zwischen Milo und mir hin und her.
»Wir haben sie im ForschungsCenter gefunden«, gebe ich die wenigen Informationen weiter, die wir haben. »Sie scheint krank zu sein.«
Wir werden Robin und den anderen erzählen müssen, unter welchen grauenhaften Umständen wir das Mädchen gefunden haben, sie sollten wissen, was wir im ForschungsCenter entdeckt haben. Und ich werde nicht umhinkommen, ihnen zu erzählen, was ich weiß.
Aber jetzt steht erst mal das Mädchen im Mittelpunkt. Milo kniet bereits neben ihr am Boden, tastet wieder nach dem Puls, runzelt die Stirn. Ihre Augenlider zucken, ihre kahle Kopfhautist mit Schweiß bedeckt, noch immer flackert ihr Insignal rot. Wenn wir einen Scanner hätten, könnten wir ihre Werte kontrollieren, dann wüssten wir, was ihr fehlt. Haben wir aber nicht.
Milo richtet sich auf und beginnt, in den Taschen seines MediKittels zu kramen. Verwirrt schaue ich zu, als er schließlich eine Spraydose herauszieht. »Das sollte ihren Kreislauf wieder in Schwung bringen«, sagt er und spritzt je einen Sprühstoß des Sprays in die Nasenlöcher des Mädchens.
Milo zwinkert mir zu und ich staune. Ich habe ja schon länger vermutet, dass Milo ab und zu Medikamente mitgehen lässt, aber er ist offensichtlich ein wandelnder Medizinschrank.
Mit einem Seufzen kommt das Mädchen tatsächlich nach wenigen Minuten zu sich. Sie wälzt sich hin und her, öffnet langsam die Augen und reißt sie dann weit auf.
»Wo bin ich, wer seid ihr, was wollt ihr von mir?«, stößt sie atemlos hervor. Auf dem schmalen Sofa versucht sie, von uns wegzurücken und sich ganz klein zu machen. Sie beginnt leise zu wimmern.
»He, ganz ruhig.« Ich gehe ebenfalls neben dem Mädchen auf die Knie.
»Wir sind deine Freunde«, mischt Robin sich ein. Er hat sich auf den niedrigen Glastisch gesetzt, direkt neben den Kopf des Mädchens. »Uns allen ist etwas Ähnliches passiert wie dir. Wir wollen dir helfen.«
Ob es die Ruhe in seiner Stimme ist, die bedingungslose Freundlichkeit, die ihn so vertrauenswürdig erscheinen lässt? Vielleicht ist es auch das leise Lachen, mit dem er hinzufügt: »Na ja, so mies wie du sah bisher noch keiner aus.« Auf jeden Fall entspannt der Körper des Mädchens sich ein wenig, sie wendetRobin ihr Gesicht zu, und als er sie nach ihrem Namen fragt, antwortet sie leise: »Kimmy.«
»Also, Kimmy«, fährt Robin sanft fort. »Damit dieser nette junge Medi da drüben«, er deutet auf Milo, »dir helfen kann, musst du uns verraten, was mit dir passiert ist.« Er sieht sie abwartend an und nach einem kurzen Zögern beginnt sie stockend mit ihrer Geschichte.
»Sie haben mich ausgewählt«, erzählt sie so leise, dass wir alle ein Stück näher rücken müssen, um sie überhaupt zu verstehen. »Ich habe mich geehrt gefühlt, ich hätte nie
Weitere Kostenlose Bücher