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Frozen Time (German Edition)

Frozen Time (German Edition)

Titel: Frozen Time (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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aus meinem Bett heraus und setzt sich. Sie trägt heute keine Haube und keinen Mundschutz; es ist das erste Mal, dass ich sie ohne sehe, und ich bin überrascht, wie groß ihre Nase ist. Warum hat sie sich die Nase nicht in jüngeren Jahren korrigieren lassen? Ihre ehemals dunklen Haare sind von vielen grauen Strähnen durchzogen und zu einem strengen Knoten hochgesteckt.
    »Tessa, hörst du mir zu?«, hakt Mitra nach.
    »Ja, Entschuldigung.« Ich fühle mich ertappt. Es verstößt gegen die Grundregel der Höflichkeit, einer Person ihres Alters nicht die volle Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Gut.« Mitra greift mit der rechten Hand hinter ihr Ohr, startet das SmartSet, das dort festgeklippt ist, und kneift die Augen leicht zusammen. Offenbar verwendet sie SmartLenses, auf denen die Informationen aus ihrem SmartSet direkt vor ihren Augen erscheinen. Sie murmelt leise Befehle, konzentriert sich und wendet sich mir nach kurzer Zeit wieder zu.
    »Du machst erstaunliche Fortschritte«, sagt sie mit einem schmalen Lächeln.
    Ich schnaufe leise. Fortschritte? Meint sie, dass ich es heute nach dreitägigem Training endlich geschafft habe, mein Bett ohne fremde Hilfe zu umrunden? Oder dass ich von Brei auf weich gedünstetes Gemüse umgestiegen bin?
    »Du solltest ein wenig geduldiger sein«, tadelt mich Mitra sanft.
    Ich schnaufe vernehmlicher. Geduld scheint nicht gerade meine Stärke zu sein.
    »Nun gut«, wiederholt sie. »Körperlich bist du dem Behandlungsplan weit voraus. Wenn man bedenkt, dass dein Körper mehrere Wochen keinerlei Bewegung hatte, und man den Zustand deines Bewegungsapparates noch vor zehn Tagen betrachtet, sind deine Leistungen wirklich erstaunlich.« Sie macht eine kurze Pause, wieder murmelt sie etwas in ihr SmartSet. »Die Ergebnisse der Elektrophorese sind hervorragend, die Titerbestimmungen durchgehend positiv. Du hast sicher bemerkt, dass wir die Schutzisolierung heute bereits aufgehoben haben.« Wieder lächelt sie, etwas breiter dieses Mal.
    Ich nicke nur. Ich kann ihren medizinischen Ausführungen problemlos folgen: Mein Immunsystem scheint nach meiner Erkrankung wieder auf der Höhe zu sein. Ich muss eine sehr eifrigeSchülerin sein, wenn ich bereits vor Beginn meiner Ausbildung zur Medi angefangen habe, mir das Lehrmaterial anzueignen.
    »Allerdings   … « Das Lächeln verschwindet von ihrem Gesicht und die Nase wirkt über dem ernsten Mund noch eine Spur größer. »   … konnten wir bezüglich der Amnesie keine bedeutende Besserung feststellen.« Sie sieht mich ein wenig enttäuscht an.
    Ich schüttele den Kopf. Nein, ich kann mich noch immer an nichts erinnern, und als Mitra das ausspricht, fühlt sich es wie mein persönliches Versagen an. Als hätte ich mich nicht ausreichend angestrengt, um meine Erinnerungen wiederzuerlangen.
    Wieder will ich ihr von dem Gesicht erzählen, das ich am Tag nach meinem Erwachen im Traum gesehen habe und das mich seither jede Nacht im Schlaf begleitet hat. Aber erneut wage ich es nicht, etwas hält mich davon ab. Immer, wenn ich von dem Jungen geträumt habe, bin ich mit einem Gefühl der Schuld aufgewacht, einer Schuld, die nur ich allein begleichen kann. Und ich spüre immer deutlicher, dass dieser Junge, zu dem ich mich zugehörig fühle, für mich Gefahr bedeutet.
    »Wir glauben, dass es dir helfen könnte, dich mit anderen Patienten in einer ähnlichen Situation zusammenzubringen«, erklärt Mitra. »Da deine körperliche Stabilität weitestgehend wiederhergestellt ist, gibt es eigentlich keinen Grund, dich länger im Isolierraum zu halten.«
    Andere Patienten? Ich schiebe den Gedanken an das Gesicht zur Seite und horche auf. »Gibt es denn viele andere Patienten, die mit dem Virus infiziert waren?«, frage ich neugierig.
    »Hm, ein paar«, antwortet Mitra ausweichend. »Du wirst einige von ihnen nachher beim Gruppenmeeting kennenlernen, aber zunächst möchte ich dich mit jemandem bekannt machen:Milo Tanner, deinem persönlichen Memo-Trainer. Warte bitte kurz hier, ich hole ihn rein, wenn es dir recht ist.«
    Wieder kann ich nur nicken. Ich fühle mich überrumpelt. Zehn Tage lang habe ich niemanden zu Gesicht bekommen außer Mitra, Sara und ein paar anderen namenlosen Medis. Und jetzt soll ich plötzlich eine ganze Gruppe Patienten treffen und einen eigenen Gedächtnistrainer bekommen?
    Unruhig rutsche ich auf meinem Bett hin und her, das sich jeder meiner Bewegungen anpasst und nachgibt, sobald ich mich auf eine Stelle stütze. Aber so

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