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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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standen, sprachen in einem sanften blauen Chor. Darüber wachten die Eichen, die natürlich sehr tiefe, kräftige braune Stimmen hatten. Bald vernahm Rosemary auch im Hintergrund Geräusche und verstand, dass sie die Hügel atmen hörte. Wenn sie genau hinsah, konnte sie diesen Atem sogar
sehen
. Die nebligen Hänge hoben und senkten sich ganz langsam, viel langsamer, als Menschen atmeten.
    So ging es eine Weile, und Rosemary lief jeden Tag früher hinaus, weil sie bei ihren Freunden sein wollte. Eines Tages ging sie ganz besonders früh los, weil Mittsommer war und ihre Freunde ein Konzert gaben. Die Vögel leiteten es in der Dämmerung ein, und als dann die Sonne aufging, öffneten sich die Kelche der Blumen, und sie begannen zu singen, dann fielen die Bäume mit ihren Bassstimmen ein, und die Hügel verstärkten ihren Herzschlag, sodass er klang wie eine Trommel, und als die Sonne hoch am Himmel stand, konnte Rosemary die einzelnen Stimmen nicht mehr unterscheiden, sondern hörte nur noch das große, wundervolle Orchester, in das sich die Natur verwandelt hatte.
    Da begann Rosemary sich zu fragen, wer dieses Orchester wohl dirigierte. Wer hatte diese Musik komponiert?
    Dann kam Rosemarys Mutter aus dem Krankenhaus, und darüber freute sich das Mädchen sehr, doch leider musste es jetzt wiederzurück in die Stadt, und das gefiel Rosemary gar nicht. Als sie wieder zu Hause war, bekam sie sofort eine Grippe, und es ging ihr schlecht. Als sie endlich auf dem Weg der Besserung war, nahm sie ihre Mutter mit in einen langweiligen Stadtpark, in dem sie schon tausend Mal zusammen gewesen waren. Auf dem Weg dorthin entdeckte Rosemary einen einzelnen Löwenzahn am Fuße einer Straßenlampe, und der Löwenzahn begann zu strahlen, als er sie erkannte, und dann sah Rosemary zu den Dächern der Häuser hinauf, hinter denen die fernen Hügel lagen, und sie spürte sie   … atmen   … sie spürte den Atem der Hügel in ihrem Inneren. Und bis sie den Park erreicht hatten, da hatte Rosemary bemerkt, dass sich alles für immer verändert hatte.
    Jane sah auf. «
Rosemary
hatte sich verändert. Aber das haben Sie nirgends geschrieben.»
    «Erste Regel, wenn man für Kinder schreibt: Niemals belehren. Sie sollen niemals denken, es wäre eine Parabel. Was es», Lucy legte ihren Staubwedel weg, «auch nicht ist, wie
du
ja genau weißt.»
    «Schade, dass es solche Bücher nicht für Erwachsene gibt.»
    «Erwachsene», sagte Lucy, «können Traherne lesen.»
    «Oh», sagte Jane. «Stimmt.» Die ganze Zeit war kein einziger Kunde gekommen. Jane fragte sich, wie Lucy diesen Laden am Laufen hielt.
    «Die Geschichte, die du eben gelesen hast, ist eine Art Einführung in Trahernes Welt. Traherne zeigt uns, dass wir alle ein höheres Bewusstsein wahrnehmen können. Ich gebe dir ein paar von seinen Schriften mit nach Hause. Kannst sie ja ein bisschen herumliegen lassen. Es wäre gut, wenn deine Mutter sie auch liest. Sie muss noch einiges lernen, wenn sie hier überl   … durchhalten will.» Lucy schnappte sich wieder ihren Staubwedel. «Und jetzt lies das andere.»
     
    In dem kleinen grünen Apfelgarten herrschte beängstigende Stille.
    In dem kleinen grünen Apfelgarten wurde es ernst.
    Wieder Rosemary. Ein bisschen älter.
    Ihr Großvater war gestorben, und sie verbrachte die Ferien bei ihrer Großmutter und half ihr auf dem Bauernhof. Bald kam die Apfelernte.
    Rosemary war noch nie zuvor im Apfelgarten gewesen.
    Sie sollte erfahren, dass der Apfelgarten das Herz von allem war.

19   Das nächtliche Haus
    Lucy schickte Jane ins Dorf, um ein paar Äpfel zu kaufen, ganz gleich, welche Sorte. Jane kam mit drei dicken Bramleys wieder und legte sie auf den Verkaufstresen. Das einzige natürliche Obst in einem Laden, der dieser Frucht durch unzählige künstliche Nachahmungen huldigte.
    Dann sprach Lucy über Äpfel. Sie bezeichnete den Apfel als hochwertigste, reinste und magischste aller Früchte. Sie erzählte von dem goldenen Apfel der griechischen Mythologie, vom geheimnisvollen Avalon, wo König Arthur in einem Apfelgarten gestorben war, und von Eva.
    Und sie bezeichnete den Apfel als mystisches Herz von Herefordshire. Der Tagebuchschreiber John Evelyn hatte im siebzehnten Jahrhundert ausgeführt, dass ‹ganz Herefordshire ein einziger Apfelgarten geworden ist›, und Lord Scudmore gepriesen, der den Anbau der Cider-Äpfel gefördert hatte, indem er den berühmten Rotstreifigen gezüchtet hatte, von dem auch der Apfel Ledwardines, der

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