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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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oder her, denn wenn man sich nicht um sie kümmert, dann sind Apfelbäume   …
    … nachtragend.
    Das hatte Merrilys Großvater ihr einmal erzählt, als sie ein kleines Mädchen war. Er hatte sie damit erschreckt, denn bei Äpfeln dachte man schließlich immer an Frohsinn und Gesundheit. Eichen konnten knotig und abweisend sein, Kiefern hager und gefühllos. Aber Apfelbäume waren doch durch und durch freundliche, gutmütige Bäume, oder? Trotzdem war Merrily danach wochenlang abends in den Obstgarten gegangen, um den Bäumen vorsichtshalber eine gute Nacht zu wünschen und ihnen zu versichern, dass sich immer jemand um sie kümmern würde, solange sie da war.
    Und genau das war Merrilys Problem. Ständig fühlte sie sich für alles verantwortlich.
    Um zu verstehen, was Großvater Watkins gemeint hatte, musste man vielleicht einmal solch einen alten Apfelbaum gesehen haben, in einer so kalten Nacht wie dieser, in der der frostüberhauchte Obstgarten im grellen Lampenschein glitzerte.
    Merrily zitterte wie ein kleines Häschen in ihrer abgewetzten falschen Barbourjacke und stampfte, um ihre Durchblutung in Gang zu bringen, mit den Füßen auf die steinhart gefrorene Erde der Lichtung.
    Ungefähr dreißig Leute waren gekommen: Noch waren es Fremde, aber Merrily würde sie sehr gut kennenlernen müssen, falls sie sich dafür entschied, ihr Vorhaben wirklich in die Tat umzusetzen. Die Leute wirkten nicht gerade übermäßig nett, wie sie sich händereibend und mit weißen Atemwolken im Kreis zusammenscharten. Sie erinnerten an Landstreicher, die sich an einem Feuer wärmen.
    Nur dass es kein Feuer gab. Sie standen um diesen frosterstarrten Apfelbaum mit den nackten Ästen, den größten in diesem Obstgarten, um den sich seit Jahren niemand mehr gekümmert hatte. Aber es war kein gewöhnlicher Apfelbaum   – Mrs.   Caroline Cassidy vom berühmten Restaurant
Cassidy’s Country Kitchen
zufolge war es nämlich der Apfelbaum-Mann.
    Der wahre Geist dieses Obstgartens.
    So, jetzt wissen wir alle Bescheid. Seufzend wandte sich Merrily ab, und ihr Seufzer materialisierte sich in der eisigen Luft als weißes Wölkchen. Ihr Onkel Ted, der wegen einer Erkältung nicht gekommen war, hatte gemeint, sie könne bei dieser Zusammenkunft vielleicht einen interessanten ersten Eindruck gewinnen. Schon einmal ein paar wichtige Gemeindemitglieder in Augenschein nehmen. Undercover, ausgerüstet mit Teds Hinweisen zu den Hauptakteuren. Alle gingen wenigstens gelegentlich zum Gottesdienst. Aber war dieses Ritual hier nicht ein bisschen   …?
    «Barbarisch», murmelte Miss Lucy Devenish etwas lauter, als notwendig gewesen wäre. «Vollkommen barbarisch. Es gehört sich nicht. So etwas wurde hier noch nie gemacht. Es ist nicht
richtig

    Merrily hatte mehr an
heidnisch
gedacht, aber barbarisch passte auch ganz gut. Laut Onkel Ted hatte Miss Devenish die gesamte vergangene Woche darüber gemurrt. Sie war sogar zu einer Gemeinderatsversammlung gegangen, um ein Verbot durchzusetzen. Doch so etwas lag natürlich nicht in der Zuständigkeit des Gemeinderates, selbst, wenn man es hätte in Kauf nehmen wollen, das Ratsmitglied Garrod Powell zu verärgern, dem der Obstgarten nämlich gehörte. Sie hätte sich auch denken können, dass es nichts bringen würde, mit ihrem Gesuch zum Pfarrer zu gehen, der gerade seinen Ruhestand angetreten hatte.
Lektion eins
, hatte Onkel Ted gesagt,
misch dich so wenig ein wie möglich
.
    «Es hat nicht das Geringste mit den Traditionen in unserer Gegend zu tun», sagte Miss Devenish. «Also
kann
es nicht richtig sein. Verstehen Sie, was ich meine?»
    Sie trug einen großen Hut mit breiter Krempe und einen Kamelhaarponcho. Damit sah sie aus wie ein indianischer Kundschafter, aber wenn sie redete, erinnerte sie eher an eine Oberlehrerin.
Eine reizende alte Dame
, hatte Onkel Ted gesagt.
Andererseits hat sie etwas Hexenhaftes an sich. Wäre besser, wenn du dich von ihr fernhältst.
Aber jetzt hatte Miss Devenish sie angesprochen.
    «Na ja, es ist   … pittoresk», lautete Merrilys schwacher Einwand. «Wie auf einer von diesen Weihnachtskarten.»
    Dann wurden Sturmlampen hochgehalten. Ihr Schein glitt über die vereiste Baumrinde und ließ Gewehrläufe aufschimmern.
    Das war nun
nicht
sehr weihnachtskartenmäßig.
    Es waren sieben Gewehre. Sie waren von Bauern und Landbesitzern aus der Gegend mitgebracht worden und von den Wirtsleutendes Cassidy-Restaurants, die zufällig begeisterte Freizeitjäger und

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