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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Begeisterung, die mir Laien die absolute Gewißheit einflößen, daß Sie den Erfolg erzwingen werden. Zu allem Ueberfluß kommen Sie allen meinen Ideen entgegen, denn seit zehn Jahren höre ich nicht auf darzulegen, daß Frankreich, wenn es wieder die zahlreichen Familien blühen sehen will, sich der Liebe, dem Kultus der Erde wieder zuwenden, die Städte verlassen muß, um das kräftige und fruchtbare Leben des Bauern dagegen einzutauschen. Wie sollte ich Ihnen da nicht mit ganzem Herzen zustimmen? Ich habe Sie sogar im Verdacht, daß Sie, wie alle, die jemandes Rat verlangen, nur hierher gekommen sind, um in mir einen Bruder und Kampfgenossen zu finden.«
    Sie lachten beide herzlich. Als Boutan ihn dann fragte, mit welchem Kapital er das Unternehmen beginnen wolle, entwickelte Mathieu ihm ruhig seinen Plan, sich nicht in Schulden zu stürzen, sondern vorerst nur mit einigen Hektaren anzufangen, auf die erobernde Kraft der Arbeit vertrauend. Seine einzige Sorge war, wie Séguin dazu zu bewegen, ihm den ehemaligen Jagdpavillon und einige Hektar ringsherum ohne Barzahlung auf Annuitäten zu überlassen.
    »Oh,« sagte der Doktor, »ich glaube, daß Sie ihn sehr bereit finden werden, denn ich weiß, daß er geradezu glücklich wäre, einen Weg zu sehen, wie er sich dieses großen, ertraglosen Besitzes entäußern könnte, der ihm in seiner steigenden Geldnot eine Last ist. – Sie wissen wohl, daß es in dem Hause schlechter und schlechter geht.«
    Dann unterbrach er sich, um zu fragen: »Und unser Freund Beauchêne, haben Sie ihn schon unterrichtet, daß Sie die Fabrik zu verlassen gedenken?«
    »Nein, noch nicht. Ich bitte Sie sogar, die Sache als Geheimnis zu behandeln, denn ich will erst alles fest abgemacht haben, ehe ich ihm irgendeine Mitteilung mache.«
    Sie waren beim Kaffee angelangt, und der Doktor bot ihm an, ihn in seinem Wagen nach der Fabrik zurückzuführen, wohin er selbst sich begab, da Madame Beauchêne ihn gebeten hatte, an einem bestimmten Tage jeder Woche vorzusprechen, um sich von dem Gesundheitszustand Maurices zu überzeugen. Der Knabe, der immer noch an den Beinen litt, hatte obendrein einen so schwachen und zarten Magen, daß er eine strenge Diät einhalten mußte.
    »Der übliche Magen der Kinder, die nicht von der Mutter genährt worden sind,« sagte Boutan. »Ihre brave Frau kennt das nicht, sie kann ihre Kinder alles essen lassen, was ihnen schmeckt. Bei diesem armen kleinen Maurice bringen vier Kirschen anstatt drei eine Verdauungsstörung hervor. – Also, abgemacht, ich bringe Sie nach Ihrem Bureau zurück. Nur muß ich noch vorher in die Rue Roquépine, um eine Amme auszuwählen. Es wird nicht lange dauern, hoffe ich. Gehen wir!«
    Im Wagen erzählte er ihm, daß er sich für Madame Séguin ins Ammenbureau begebe. Dort spiele sich ein ganzes Drama ab. Am Tage nach der Niederkunft hatte Séguin, von einem kurzen Anfall von Gattenzärtlichkeit ergriffen, darauf bestanden, selbst die Amme für die kleine, gestern geborene Andrée zu wählen. Er behauptete, sich darauf zu verstehen, er wollte ein robustes Weib, von monumentaler Erscheinung, mit enormer Brust. Aber seit zwei Monaten nahm das Kind ab, und der herbeigerufene Arzt hatte konstatiert, daß es einfach Hungers sterbe. Das robuste Mädchen hatte keine Milch, oder eigentlich ihre Milch hatte sich in der Analyse als zu dünn, zu unausgiebig erwiesen. Eine schwierige Sache, das Wechseln einer Amme! Der Sturm wütete im Hause, Séguin schlug die Türen hinter sich zu und schrie, daß er sich um gar nichts mehr kümmere.
    »So bin ich nun damit betraut,« schloß Doktor Boutan, »eine neue Amme zu wählen und hinzusenden. Und die Sache hat Eile, denn mir bangt um diese arme kleine Andrée. Es ist zum Erbarmen mit solchen Kindern.«
    »Und warum hat die Mutter das Kind nicht selbst gestillt?« fragte Mathieu.
    Der Arzt machte eine Gebärde der Mutlosigkeit. »Ach, lieber Freund, da fragen Sie mich zuviel. Wie sollte eine Pariserin der reichen Bürgerkreise, bei dem Leben, das sie führt, bei dem Hause, welches sie glaubt unterhalten zu müssen, den Empfängen, den Diners, den Abendgesellschaften, den fortwährenden Anlässen, außer Haus zu gehen, den gesellschaftlichen Verpflichtungen aller Art, wie sollte sie da die Pflicht, das mutige und langwierige Werk auf sich nehmen, ein Kind selbst zu nähren? Das bedeutet fünfzehn Monate der Enthaltsamkeit und des Verzichts. Dabei spreche ich gar nicht von den Verliebten und den

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