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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Madame Broquette im Begriffe, einem alten Herrn, der in einem Fauteuil saß, eine ganze Schar Ammen vorzuführen. Als sie den Doktor erblickte, machte sie eine bedauernde Gebärde.
    »Lassen Sie sich nicht stören,« sagte dieser. »Wir haben keine Eile, wir werden warten.«
    Durch die offene Tür hatte Mathieu Herminie, die Tochter des Hauses, gesehen, die in einem der rotsammetnen Fauteuils saß, träumerisch in die Lektüre eines Romans versunken, während ihre Mutter, stehend, mit ihrer würdevollen Miene ihre Ware anpries, die Ammen vor dem alten Herrn Revue passieren ließ, der sich nicht entscheiden zu können schien,
    »Sehen wir uns den Garten an,« sagte der Doktor lachend.
    Tatsächlich wurde es als einer der Vorzüge des Hauses in den Prospekten hervorgehoben, daß sich daselbst ein Garten befinde, mit guter Luft, sogar einen Baum, kurz, ländliche Natur. Sie öffneten die Glastür und sahen auf einer Bank neben dem Baume ein starkes Mädchen, die offenbar eben erst eingetroffen war, und die im Begriffe war, ihr Kind mit einem Stück Zeitungspapier zu reinigen. Sie selbst befand sich noch ganz in dem wenig einladenden Zustande, in dem sie hier abgesetzt worden war, hatte noch nicht Zeit gehabt, sich zu waschen. In einer Ecke befand sich eine Ablagerungsstätte der Küche, ein Haufen zerbrochener Schüsseln und alter fettiger oder verrosteter Gerätschaften. Am andern Ende sah man durch eine Glastür, die zugleich als Fenster diente, in den Warteraum der Ammen; und auch da bot sich ein widerlicher Anblick, sah man aufgehängte Lappen, beschmutzte Windeln, die zum Trocknen ausgebreitet waren. Dies waren die einzigen Blumen dieses Stückchens Natur.
    Plötzlich schoß Monsieur Broquette herbei, ohne daß man hätte sagen können, woher er kam. Er hatte den Doktor Boutan bemerkt, einen Kunden, der mit Sorgfalt behandelt werden mußte.
    »Madame Broquette ist wohl beschäftigt? Ich werde nicht zugeben, Herr Doktor, daß Sie hier bleiben. Kommen Sie, bitte, kommen Sie.«
    Seine kleinen Wieselaugen hatten sich auf das unsaubere Mädchen geheftet, die im Begriffe war, ihr Kind zu reinigen; dieses Schauspiel war ihm sehr peinlich, und er drang nur deshalb so sehr in den Arzt, weil er verhindern wollte, daß die Herren noch mehr von den Geheimnissen des Hauses sähen. Der Doktor hatte seinen Gefährten eben bis an die Tür des Warteraumes geführt, wo der Anblick der Ammen, die es sich hier bequem machten, nicht sehr erquicklich war. Sie hatten die Kleider geöffnet, räkelten sich, gähnten sich durch die langen, trägen und schläfrigen Stunden, während welcher sie hier bis zum Steifwerden auf den Bänken in Erwartung der Kunden saßen; die Kinder legten sie, um ihre Arme ausruhen zu lassen, auf den Tisch, der davon immer bedeckt war; alle Arten Unsauberkeiten bedeckten den Boden, fettige Papiere, Brotkrumen, widerliche Fetzen. Die beiden Männer fühlten ihr Inneres sich wenden angesichts dieses vernachlässigten Raumes, dieses schlecht gehaltenen Stalles.
    »Ich bitte Sie recht sehr, mir zu folgen,« wiederholte Monsieur Broquette.
    Er fühlte nun aber doch, daß er streng auftreten und ein Exempel statuieren müsse, um den guten Ruf des Hauses zu retten. Er fuhr auf das starke Mädchen los. »Hören Sie einmal. Sie schmutziges Ding, können Sie nicht etwas warmes Wasser nehmen, um Ihr Kind zu reinigen? Was tun Sie denn überhaupt da? Warum sind Sie nicht gleich hinaufgegangen, um Toilette zu machen? Soll ich selbst Ihnen einen Kübel Wasser über den Kopf schütten?«
    Er jagte sie auf und vor sich her, und sie eilte fort, betäubt und eingeschüchtert. Nachdem er sie so bis zur Treppe befördert hatte, führte er die beiden Herren wieder vors Bureau, indem er klagte:
    »Ach, Herr Doktor, wenn Sie wüßten, was ich für Mühe habe, um diese Mädchen nur dahin zu bringen, daß sie sich die Hände waschen. Wir, die wir so reinlich sind, die wir unsern Stolz darein setzen, daß das Haus rein sei! Ich kann Ihnen versichern, daß es nicht meine Schuld ist, wenn sich nur ein Stäubchen irgendwo findet!«
    Aus den oberen Stockwerken drang in diesem Augenblicke ein schrecklicher Lärm herunter, offenbar ein Streit, eine Schlacht zwischen zweien oder mehreren der Ammen. Von dieser Treppe, zu der Fremden der Zutritt nie gestattet wurde, wehte zeitweise ein abscheulicher Geruch wie aus einer Kloake herab; und jetzt, wo dieser verpestete Hauch ein verdoppeltes wüstes Geschrei mit sich führte, wurde es

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